Lünen. . 40 Jahre rumorte diese faszinierende Geschichte in Salomon. Wie er sich als Jude für einen Hitlerjungen ausgab. Vier Jahre lang hat er sich für seinen Todfeind ausgegeben, schrie „Heil Hitler“, trug eine braune Uniform und ging später sogar auf ein Braunschweiger Eliteinternat der Hitlerjugend.

Eigentlich hätte er allen Grund, Deutschland zu hassen. Seine Eltern sind im Ghetto Lodz gestorben, seine Schwester wurde von einem Nazi erschossen und er musste sein Identität verraten, um zu überleben. Trotzdem kommt Sally Perel zwei Mal im Jahr nach Deutschland, um zu erzählen, wie er zum „Hitlerjungen Salomon“ wurde und als Jude den Zweiten Weltkrieg überlebt hat.

Zur Halbzeit seiner Lesereise hat es den mittlerweile 87-Jährigen zum Steingymnasium verschlagen, wo gestern fast 400 Acht- bis Elftklässler still der Geschichte Perels gelauscht haben. Immer wieder betonte er, wie wichtig Ehrlichkeit und die Wahrheit ist. Deswegen findet er immer wieder die Kraft und Motivation, als einer der letzten Zeitzeugen über das Grauen zu reden. „Das werde ich bis zu meinem letzten Atemzug machen“, verspricht er überzeugend.

Zwar fühlt er sich der Wahrheit verpflichtet, überlebt hat er aber wegen einer Lüge: Nachdem er seine Eltern im Ghetto Lodz zurücklassen musste, griff ihn die Wehrmacht auf. Die sortierte: Die einen wurden gefangen genommen, Juden wurden gleich erschossen. Beeindruckend schilderte Perel, wie sie aufgereiht nach und nach gefragt wurden: „Bist du Jude“. Er stellte sich ganz hinten an, als er gefragt wurde, antwortete er: „Nein, ich bin Volksdeutscher.“ Auch andere haben das versucht, aber nur ihm haben sie geglaubt. So wurde aus Salomon Josef, aus Sally „Jupp“, wie er heute noch genannt wird, wenn er Menschen von früher trifft. Vier Jahre lang hat er sich für seinen Todfeind ausgegeben, schrie „Heil Hitler“, trug eine braune Uniform und ging später sogar auf ein Braunschweiger Eliteinternat der Hitlerjugend. Vier Jahre lang, „aber für mich waren es vier Ewigkeiten“, schildert er. Bis zum Selbsthass wurde er getrieben, musste aber immer einen kühlen Kopf behalten, um nicht aufzufliegen.

40 Jahre rumorte diese faszinierende Geschichte in Salomon, Anfang der 90er veröffentlichte er sie, einen Spielfilm gibt es auch. Und natürlich die vielen Lesereisen in Deutschland. Salomon gelang das Kunststück, die Schüler mit dramatischen und tragischen Szenen zu unterhalten, vergaß aber nicht, die Schüler mit feinem Humor zum Lachen zu bringen.

BDM-Mädel war die Jugendliebe

Etwa, als er von der ersten Jugendliebe erzählt. Leni, blond, blaue Augen, der Naziideologie verfallen. „Aber ich mag Blonde. Aber auch alle anderen.“ Ihre Mutter hatte geahnt, dass „Jupp“ lügt, ihn aber auch vor der verblendeten Tochter gewarnt. Heute ist sie immer noch toll:. „Wenn wir uns sehen, versuche ich, die Jugendliebe aufflammen zu lassen.“

Perel wohnt in Israel, aber seine Wurzeln vergisst er nicht. „Ich habe meine Muttersprache nie aufgegeben.“ Er hatte schöne Kinderjahre und Groll hegt er gegen Deutsche nicht. Auch wegen eines homosexuellen Wehrmachtssoldaten, der von Perels Geheimnis wusste: „Er sagte mir, es gibt ein anderes Deutschland. Das habe ich nie vergessen.“

Und das gab er den Jugendlichen mit auf den Weg: „Ich bin vielleicht der letzte Zeitzeuge, den ihr gehört habt. Werdet selbst zu Zeitzeugen, erzählt meine Geschichte euren Kindern. Damit so etwas nie wieder passiert.“