Lüdenscheid. . Die ersten Schüler sind schon angemeldet, zwei 10. Klassen der Theodor-Heuss-Realschule besuchen in der kommenden Woche die Gedenkzellen im Alten Rathaus. Es war der erste offizielle Öffnungstag für das Projekt, um das politisch lange gerungen wurde.
Die ersten Neugierigen verteilten sich in den beiden früheren Haftzellen der Nazi-Zeit, lasen sich an 14 Schautafeln und drei Computer-Monitoren ein in die Stadtgeschichte und in persönliche Schicksale ganzer Familien.
Erste Schüler nächst Woche
Es sind nicht nur Befürworter der Gedenkzellen, die die Ausstellung und Dokumentation besuchen. Manfred Kunkel, der für den Verein die erste Aufsicht schiebt, bestreitet gleich eine Diskussion mit einem Besucher, der den Sinn des Projekts so gar nicht einsieht: warum „die Stadt“ so viel Geld ausgebe, wenn doch Kindergartenplätze fehlten? Und im Übrigen wisse er von Freunden aus der Ukraine, dass Zwangsarbeiter hier gut behandelt worden seien.
Es ist wohl die Art von Debatten, in die Matthias Wagner, Initiator der Gedenkstätte, letztlich Hoffnung setzt. Der Mann habe schließlich Recht, zum Beispiel für die damalige Fa. Reininghaus, „die die Leute ordentlich behandelt und ernährt hat“. Die anderen Firmen nennt der Historiker nicht. Aber: „Da sind die gestorben wie die Fliegen.“
Es ist ein beklemmender Blick auf die finsteren Seiten der Stadt – auf bekannte Gesichter wie das Erwin Welkes, der Zuchthaus und Strafbataillon 999 überlebte, SPD-Oberbürgermeister wurde und 1989 als Ehrenbürger Lüdenscheids verstarb. Seine Biografie findet sich neben der Emil Fischers, christlicher Gewerkschafter und von 1924 bis 1933 Stadtverordneter. Er verliert seine Arbeit und Reputation, sitzt in Haft, während acht seiner Söhne und Schwiegersöhne an allen Fronten Europas kämpfen.
Für die Predigt ins KZ Dachau
Auch um Ernst Wilm geht es, den früheren Pfarrer (1929 bis 1931) der Erlöserkirchengemeinde, später Präses der evangelischen Kirche von Westfalen. Sein Silvestergottesdienst, in dem er sich offen gegen die Tötung von Geisteskranken wandte, führte ihn 1942 ins KZ Dachau, aus dem er offenbar aufgrund einer Verwechslung im Januar 1945 entlassen wurde.
Die Tötung „unwerten Lebens“ spielt eine wichtige Rolle, wenn man die Gedenkstätte besucht und verstehen will: Von 114 Lüdenscheider Juden haben etwa 60 die Zeit des Nationalsozialismus überlebt durch Flucht ins Ausland. 46 von ihnen wurden umgebracht. Doch inzwischen sind in Lüdenscheid 56 Euthanasieopfer bekannt; Menschen, die auf amtliche Weisung des damaligen Gesundheitsamts aufgrund einer Behinderung umgebracht wurden. Eines der Opfer ist Melanie D. Auch ihr widmet die Ausstellung eine Tafel zur Dokumentation dieses Schicksals.