Lünen. . In den Eckkneipen und beim Gaststättenverband Dehoga sieht man dem 1. Mai 2013 mit sehr viel Skepsis entgegen - ab dann gilt das Rauchverbot in Gaststätten. In Lüner Restaurants allerdings sieht man die neue Regelung weniger kritisch - auch unter rauchenden Gästen.
Vormittags um elf ist die Welt noch in Ordnung, am Tresen in der kleinen Kneipe an der Ecke. Davon gibt es noch einige in Lünen. Noch. Denn die samtgoldenen Tage der Ein-Raum-Kneipen scheinen gezählt. Ab Mai 2013 soll das neue Nichtraucherschutzgesetz in Kraft treten, das der Gesundheitsausschuss des Landes beschlossen hat, mit den Stimmen von Grünen und SPD. Ausnahmen für Eckkneipen, Raucherclubs oder Brauchtum wird es dann nicht mehr geben. Dann heißt es: Wer rauchen will, muss rausgehen. Das ruhig plätschernde Gespräch am Tresen unterbrechen. Sich hastig eine anstecken. Der Tod für die Gemütlichkeit.
Das fürchten jedenfalls die Wirte in Lünen. „Unglaublich, was die mit uns machen“, wettert die Dame hinterm Tresen der kleinen Kneipe, die mit dem schönen Licht am Vormittag. „Ich habe eine Rentnerkneipe, wenn die im Winter rausgehen, um eine zu rauchen, kommen die nicht zurück.“ Ein Scherz – aber er zeigt, wovor sowohl Wirte als auch Gäste der kleinen Kneipen Angst haben.
Angst vor Umsatzrückgang
„Der Umsatz wird um 35 Prozent runtergehen“, sagt die resolute Dame hinterm Tresen. „Das ist Gängelei“, begehrt ein Gast auf, „wer mit seinen Kindern in die Kneipe will, soll sich eine rauchfreie Gaststätte suchen. Sollen wir uns draußen im Winter den Tod holen?“ Das beschreibt die Konfliktlinie, die zurzeit durch die Gesellschaft geht: Wir können schon selbst auf uns aufpassen, sagen die einen. Könnt ihr eben nicht, sagen die anderen. Vergleichbare Diskussionen gab es bei der Einführung der Gurt- oder Helmpflicht.
„Ich bin selbst Nichtraucher“, sagt Sema Özer, Wirt des „Shaggy’s“ an der Parkstraße, „aber 90 Prozent meiner Gäste rauchen. Ein Schild an der Eingangstür sollte doch reichen, dann kann jeder selbst entscheiden. Wir wissen gar nicht, wie wir ab Mai weitermachen können. Wenn wir die Gäste zum Rauchen rausschicken, wird nachts der Lärmpegel draußen steigen.“
Auch für Raucher angenehmer
Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist: Es gibt auch Gäste, die sich über das Rauchverbot freuen. Sogar, wenn sie selbst rauchen. Gäste in Restaurants zum Beispiel. „Die Leute haben sich echt dran gewöhnt, die gehen raus zum rauchen“, sagt Gumbrid Tedesco, Wirtin im Lüner Restaurant „da Rocco“ am Roggenmarkt. „Viele Raucher sagen, es ist für sie ohne Rauch auch viel angenehmer.“ Vom verschärften Rauchverbot fühlt sich Gumbrid Tedesco kaum betroffen.
Die Gaststätten-Gewerkschaft Dehoga sieht das ähnlich. „Bei vielen kleinen Eckkneipen wird das der letzte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt“, sagt Claus Altendorf, Geschäftsführer der Dehoga Westfalen, „Speisegaststätten sind davon aber nicht so betroffen.“ Altendorf sieht aber das Problem der „Quatscherei draußen“, wenn die Raucher in Grüppchen draußen stehen und lachen, reden, flirten. Könnte einigen Anwohnern sauer aufstoßen, vor allem bei geöffneten Schlafzimmerfenstern im Sommer.
Wirten fehlen die Rücklagen
Der Lüner Getränkehändler Jochen Gefromm (CDU) warnt: „Da sind viele Sargnägel, die dazu führen, dass der Deckel nicht mehr aufgeht.“ Die Kundschaft der klassischen Eckkneipe altere, und neue wachse nicht nach. Das kommende Rauchverbot mache deren Situation noch schwieriger. „Da stirbt ein Stück Kultur, und das bedaure ich zutiefst“, so Gefromm. Thorsten Lachmann, Geschäftsführer des Bereiches Gastronomie bei Gefromm, sieht die Restaurants im Vorteil: „Die profitieren davon, aber die kleinen Kneipen haben ein Problem.“
Ab Mai sieht Lachmann deren Umsatz einbrechen, bis zu 20 Prozent. „Bis sich das wieder beruhigt hat, können einige Monate vergehen. Dafür reichen die Rücklagen vieler Wirte nicht, denn einige kommen so gerade über die Runden.“