Schwerte. .

Schon allein die reinen Zahlen lassen aufhorchen: Beim Jugendamt gingen in diesem Jahr bereits 119 Meldungen zur Kindeswohlgefährdung ein. Nachbarn, Lehrer, Ärzte oder Verwandte setzten sich mit dem Jugendamt in Verbindung, weil sie befürchteten, dass Leib und Leben eines Kindes in Gefahr sei. Mit 119 Meldungen sind es jetzt schon, obwohl das Jahr noch längst nicht zu Ende ist, 30 mehr als im gesamten Jahr 2011 und das Doppelte gegenüber 2010. Auch wenn sich bei den 119 Meldungen herausstellte, dass in 47 Fällen davon keine direkte Gefährdung bestand, müsse man diese Entwicklung sehr ernst nehmen, sagt Jasmin Leuthner-Beller aus dem Bereich der städtischen Jugendhilfe. Denn in vielen dieser Situationen habe man erkannt, dass die Familie durchaus Hilfe benötige. Die könne man in Form von Therapien, Gruppenarbeit oder Erziehungshilfe anbieten.

Inobhutnahme

In den anderen Fällen habe es „akute Gefährdungen“ oder mittlere Gefährdungen gegeben. So heißen die Einordnungen des Jugendamtes. Handelt es sich um akute Gefahren, ist damit gemeint, dass nach einem Besuch in den Familien, nach Gesprächen mit verschiedenen Beteiligten, zu entscheiden ist, ob die Kinder in der Familie bleiben können oder zu einer Pflegefamilie bzw. ins Heim gegeben werden. In diesem Jahr gab es bereits zehn solcher Inobhutnahmen. 2011 waren es sechs.

Der Anstieg der Meldungen, so erklärte Leuthner-Beller auf Nachfrage, habe aber nichts damit zu tun, dass Familien denunziert werden. Es handele sich fast ausschließlich um wirklich besorgte Mitmenschen, denen am Wohl der Kinder gelegen sei. „Die hören einfach, dass da ein Kind schreit und machen sich große Sorgen“.

Leuthner-Beller verdeutlichte in der Sitzung des Jugendhilfe- und Sozialausschusses, dass manche Eltern mit den Erziehungsaufgaben überfordert seien. Sie beobachtet dabei neue Entwicklungen. Während in früheren Zeiten zumindest ein Elternteil noch in der Lage gewesen sei, das Familienleben zu organisieren, sei es heutzutage sehr oft so, dass beide Partner diese Herausforderungen nicht mehr bewältigen könnten.

Daher werde es auch immer schwieriger, einen Ansatz für eine Unterstützung der Familien zu finden. Besonderer Schutz von Kindern sei vor allem dann erforderlich, wenn sich herausstelle, dass sie sexuell missbraucht würden. In diesem Jahr wurden dem Jugendamt 15 Fälle gemeldet.

Wenn die Jugendhilfe immer mehr Aufgaben zu bewältigen hat, stelle sich zwangsläufig auch die Frage, ob die Anzahl der Mitarbeiter überhaupt noch ausreiche, sagte Leuthner-Beller im Gespräch mit der WR. Man sei derzeit damit befasst, das Stellentableau einer kritischen Würdigung zu unterziehen.