Balve. .

Die Jogginghose schlabbert um den mageren Körper. Der 23-Jährige „Milchbubi“ lässt sich jedes Wort aus der Nase ziehen. Mangelnde Grundintelligenz befeuerte er zehn Jahre lang exzessiv mit Drogen. Apathisch sitzt er auf seinem Stuhl. Den Blick ins Leere gerichtet. Selbstbewusstsein – Fehlanzeige. Kaum vorstellbar, dass der Balver den Mut aufbrachte, achtmal mit durchgeladener Pistole Läden in halb NRW auszurauben.

Sein Verteidiger Georg Schulte aus Bielefeld muss während des ersten Verhandlungstags vor dem Landgericht Arnsberg immer wieder in einfachen Worten erklären, was das Gericht ihn fragt. Zum Beispiel nach seiner Kindheit. Geboren wird der geständige Verbrecher in Dortmund, kurz darauf trennen sich seine Eltern. Der Vater hat niemals wieder den Kontakt gesucht. Mit drei Jahren zieht er nach Langenholthausen, geht dort im dörflichen Idyll in den Kindergarten. Vier Jahre später zieht er mit seiner Mutter und seiner Schwester nach Balve Er liefert passable Noten ab, spielt einen anständigen Stürmer in der Jugend der SG Balve/Garbeck.

Doch zu Hause läuft aus seiner Sicht bereits zu diesem Zeitpunkt längst nicht alles rund. „Meine Mutter hat oft ihren Freund gewechselt. Hatte ich mich nach zwei, drei Jahren an einen Mann gewöhnt, stand plötzlich der nächste auf der Matte.“ Zusätzlich wachsen die Probleme mit der großen Schwester. Die Familie zieht häufig um. „Ich hatte eigentlich immer ein gutes Verhältnis zu ihr. Aber auf einmal war nur noch Streit zu Hause.“ Die Schwester beginnt Ecstasy zu nehmen, klaut, steigt später auf Heroin um, landet auf dem Strich.

Mit zehn Jahren raucht er das erste Mal Haschisch, muss die Realschule verlassen, die fünfte Klasse an der Hauptschule wiederholen. Zwei Jahre nimmt er halbwegs regelmäßig am Unterricht teil. Mit 13 Jahren gibt er sein Leben dann völlig in die Hand der Drogen. Die siebte Klasse wiederholt er, nach der achten verlässt er die Schule ohne Abschluss. Mit 15 Jahren nahm er zusätzlich Amphetamine, Ecstasy, und psychoaktive Pilze. Ohne Job wurde jedoch das Geld knapp. Der Balver begann mit Cannabis zu dealen, wurde erwischt, verurteilt und trat eine sechsmonatige Therapie an. „Eine Woche danach habe ich wieder Amphetamine genommen und Kokain probiert. Dabei bin ich dann geblieben, bis zu meiner Verhaftung.“ Zwischendurch begann er ein berufsvorbereitendes Jahr. Nach zwei Wochen, während derer er nur sporadisch erschien, haben ihm die Verantwortlichen gesagt, wenn er nicht wolle, könne er gleich zu Hause bleiben.

Das tat er. „Aber die Knete von der Arge war meistens nach einem Tag schon wieder weg.“ Er zog nach Dortmund, fuhr aber regelmäßig nach Balve, um sich Geld von seiner Mutter und seinem Stiefvater für die Einrichtung der Wohnung zu holen. „Ich habe die Sachen gekauft, wieder verkauft, danach das Geld für Drogen ausgegeben und verspielt.“

„Und jetzt?“, fragte Richter Erdmann. „Jetzt sitz ich im Knast. Da gibt es nur Nintendo, und das ist scheiße.“ Schließlich fand Erdmann deutliche Worte: „Berufsverbrecher können Sie abhaken, dafür sind Sie viel zu harmlos.“ Mit leiser Stimme entgegnete der 23-Jährige: „Elektriker wäre in Ordnung.“ Eventuell will er im Gefängnis eine Ausbildung machen. Dafür wird er wohl einige Jahre Zeit bekommen.