Essen. . Svenja Schützner und Kerstin Grohmann haben wie viele andere einen Vollzeitjob. Trotzdem opfern sie ihre Freizeit, um eine Weiterbildung zur staatl. geprüften Betriebswirtin zu absolvieren. Die Mehrbelastung koste Kraft, biete aber auch viele Chancen.

Svenja Schützner und Kerstin Grohmann sitzen im Raum hinter dem Lehrerzimmer des Robert-Schuman-Berufskollegs, während draußen der Berufsverkehr über die Straßen rauscht. Es ist kurz nach 17 Uhr, für viele Berufstätige geht es nach einem stressigen Arbeitstag zurück nach Hause, um die Füße hochzulegen, ausruhen zu können.

Auch die beiden Frauen haben schon in ihren Unternehmen einen 8-Stunden-Tag hinter sich. Svenja Schützner ist Verwaltungsfachangestellte an der Ruhr-Universität in Bochum, Kerstin Grohmann Bürokauffrau im Vertriebsinnendienst. An Feierabend ist bei ihnen allerdings noch nicht zu denken: Sie sind zusätzlich Studierende an der Wirtschaftsfachschule des Berufskollegs und haben noch dreieinviertel Stunden Unterricht vor sich. Das ist jeden Dienstag- und Donnerstagabend so, und dazu noch samstags.

Aufgaben im Management

Sie lernen Volkswirtschaft, Personalwirtschaftslehre, Englisch, Steuerlehre, Wirtschaftsinformatik und vieles mehr. Das macht wöchentlich 14 Stunden berufsbegleitenden Unterricht, drei beziehungsweise vier Jahre lang, je nach Bildungsgrad. Nach bestandener Abschlussprüfung sind sie staatlich geprüfte Betriebswirte mit dem Schwerpunkt Recht oder Rechnungswesen und qualifiziert für Aufgaben im mittleren und gehobenen Management.

„Man kommt aus seinem normalen Denkschema heraus, lernt seine Grenzen kennen“, kommentiert die 41-jährige Kerstin Grohmann den beruflichen Mehraufwand, dem sie sich bereits seit über drei Jahren zur Weiterbildung unterzieht. Seit 14 Jahren arbeitet sie in ihrem Unternehmen. Die Motivation, nach so langer Zeit wieder zur Schule zu gehen, sei zuallererst darauf begründet, noch einmal etwas für sich selbst zu tun. Jetzt, wo die Kinder erwachsen sind und der Mann nicht mehr in Wechselschicht arbeite. „Aber natürlich gilt so ein Schritt auch der Arbeitsplatzsicherung“, gesteht sie. Chefs würden den Wunsch nach Weiterbildung immer mehr schätzen. Schon ein Sprachkurs werde mit Wohlwollen betrachtet, zeige Belastbarkeit. Der staatlich geprüfte Betriebswirt mit Schwerpunkt Recht ermögliche es ihr zudem, sich in ihrem Unternehmen auf eine Arbeit im Projektmanagement zu bewerben.

Von den Mitbewerbern abgeheben

„Ich bin jung und wollte noch etwas machen“, erzählt die 26-jährige Svenja Schützner. Deshalb habe sie sich für ein Studium an einer Fachhochschule am Niederrhein interessiert, bevor sie sich letztendlich für das Robert-Schuman-Berufskolleg entschied. Sie studiert im Schwerpunkt Rechnungswesen. Ein Schwerpunkt, der „für die ganze Region eher untypisch ist.“ Man wisse nie, wofür man eine Weiterbildung für den beruflichen Werdegang gebrauchen könne. „Auf alle Fälle wird es mich bei Bewerbungen von meinen Mitbewerbern abheben“, ist sie sich sicher.

„Wir haben festgestellt, dass ein Wandel bei Auszubildenden und Arbeitnehmern stattgefunden hat. Der Prozess des lebenslangen Lernens ist in den Köpfen angekommen. Azubis denken nicht mehr, dass ihre Ausbildung das Ende ihrer Weiterbildung sei“, interpretiert Nanny Schäfer, Bildungsgangleiterin der Wirtschaftsfachschule des Robert-Schuman-Berufskollegs, den Wunsch nach Fortbildung.

Der Studiengang zum staatlich geprüften Betriebswirt am Berufskolleg habe hierbei im Vergleich zu privaten Anbietern den Vorteil, dass die Studierenden sich nicht finanziell verpflichten. Das Berufskolleg ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und damit kostenfrei. Aus diesem Grund sei es auch problemlos möglich, sich erst einmal zu orientieren und auszuprobieren, ob die große Mehrbelastung auch tatsächlich etwas für einen sei.

Eine ganz besondere Gruppendynamik

Die habe es definitiv in sich. „Ich habe mich deshalb schon x-mal selbst gefragt, ob ich weitermachen soll“, gesteht Svenja Schützner. „Na ja, bei mir taucht die Frage einmal wöchentlich auf“, fügt Kerstin Grohmann mit einem Lächeln hinzu. Doch durch das Klassensystem herrsche im Gegensatz zur Uni mit seinen überfüllten Seminaren eine ganz besondere Gruppendynamik, die immer wieder aufs Neue Ansporn sei, durchzuhalten. „Der Unterricht ist richtig gut vorbereitet, da wäre ich auch schön doof, aufzugeben“, bemerkt die 26-Jährige.

Gerade in den ersten sechs Wochen gebe es einige Teilnehmer, die das Handtuch werfen, ergänzt Nanny Schäfer. „Das hat aber definitiv keine intellektuellen, sondern vor allen Dingen zeitliche Gründe“, bekräftigt sie. Und fügt hinzu: „Wer die drei Jahre durchhält, der besteht auch in der Regel die Abschlussprüfung.“

Die Hälfte des Credit Points eines Bachelor-Studiums

Hat man diese in der Tasche, lässt sich problemlos auf Wunsch ein Studium anschließen. „Mit der Ausbildung hat man die Hälfte der Credit Points eines Bachelor-Studiums erreicht. Unsere Fortbildung ist ein schöner Zwischenschritt und bietet zum Beispiel die Möglichkeit, an der europäischen Fachhochschule berufsbegleitend den BA zu machen“, erläutert Nanny Schaefer.

„Man muss bereit sein, seinen Alltag neu zu organisieren“, resümiert Kerstin Grohmann für alle Interessierte. Man müsse Lust am Lernen haben… „und natürlich Freude an den Fächern“, ergänzt Svenja Schützner. Dann stehe einer erfolgreichen Weiterbildung nichts im Wege.

Informationen zur Weiterbildung

Die Weiterbildung zum/zur staatlich geprüften Betriebswirt/in Schwerpunkt Recht oder Rechnungswesen am Robert-Schuman-Berufskolleg wird für Arbeitnehmer aus dem kaufmännischen Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung angeboten. Sie dauert drei (für Absolventen mindestens mit Fachhochschulreife) beziehungsweise vier Jahre (mit Fachoberschulreife) und umfasst wöchentlich 14 Unterrichtsstunden, die berufsbegleitend besucht werden.

Weitere Informationen gibt es unter www.schumanbk.de.