Lünen.
„Jetzt haben wir in der toten Straße wieder viele Kinder und dann das!“ Karin Gruno ist entsetzt über die Nachricht, das rund 50 Meter von ihrer Haustür entfernt eine forensische Klinik errichtet werden soll. Mit der Pressemitteilung des Gesundheitsministeriums in der Hand zog die 68-jährige Rentnerin am Dienstag durch die Nachbarschaft am Victoriaplatz und der Lindenstraße.
Nach einem Anruf hatte sie sich die nach ihrer Ansicht schlimme Nachricht aus dem Internet geholt. „Die Kinder sollen hier doch unbeschwert aufwachsen“ sagt Erzieherin Nicole Wehlend im Gespräch mit der Rentnerin. Ihre Tochter Lena (5) besucht die Kita an der Dorfstraße. „Jetzt ist sie ja klein und unter meiner Obhut, wenn sie aber in der Schule ist, geht sie allein und spielt hier.“
Am Nachmittag wussten es alle Barbarasiedler, so ein schnelles Lauffeuer hat es selten gegeben. Der frühere Untertage-Elektriker Manfred Gehling äußerte sich zunächst mit moderaten Worten wie „Da bin ich aber nicht begeistert“ und „Das muss ich erstmal verdauen“, steigerte sich am Ende in nicht zitierfähigen Ansichten über die Pläne des Landes. Auch meint Gehling: „Erst ist alles kontaminiert auf der Zechenfläche und plötzlich kann man bauen“.
„Wenn Sie Unterschriften sammeln, können Sie von mir zehn haben!“
Und dann tut sich noch ein weiterer Negativaspekt auf: Der 60-Jährige möchte in absehbarer Zeit zu seiner Tochter nach Rügen ziehen. „Mit einer Klinik vor der Nase will doch keiner meine Hütte kaufen“, schimpft Gehling und meint natürlich sein Zechenhaus.
Dagmar Laziok aus der Wethmarer Mark, die gerade ihre vierjährige Nichte vom Kindergarten zu ihrer Schwester in der Barbarasiedlung brachte, war auch schon über das Radio informiert. „Wenn Sie Unterschriften gegen die Klinik sammeln, können Sie von mir zehn haben. Vor einer solchen Klinik haben doch alle Angst“, sagte Laziok.
Marion Kuhrt nahm ihre Enkelin, die sechs Wochen alte Dana-Elisa, aus dem Kinderwagen und rief: „Dieses Kind soll hier groß werden wie wir auch, ich gehe dafür gegen die Klinik auf die Straße. Wir sind hier eine tolle Gemeinschaft in der Kolonie und halten zusammen.“
Bei Helga Mendrina, der Vorsitzenden der SPD Lünen-Nord, waren schon am Morgen alle Warnlichter angegangen. „Mit einem Kindergarten und einer Schule in der Nähe können wir doch keine Forensik-Klinik gebrauchen. Es gib doch bestimmt bessere Standorte ohne eine solche Nähe zur Wohnbebauung.“ Die Entscheidung sei gar nicht in Ordnung. „Jetzt müssen wir als Partei Position beziehen.“
Die Kommunalpolitikerin kündigte am Dienstag eine Sondersitzung des Vorstandes und der Mitglieder an.