Lünen. . Stadt und Politik wollen alles dransetzen, dass die Landesregierung ihre Entscheidung nochmals überdenkt. Am Dienstag Morgen wurde öffentlich, was viele seit Monaten befürchteten: Lünen soll Standort einer forensischen Klinik werden. Auf der Brache Victoria I/II sollen bis 2020 eine Einrichtung zur Unterbringung von insgesamt 150 psychisch kranken Straftätern entstehen.

In einer Pressekonferenz um 13 Uhr im großen Ratssaal gab der Verwaltungsvorstand eine gemeinsame Stellungnahme zu der Forensikentscheidung des Landes NRW ab. Eingebunden in die Positionierung war der Ältestenrat der Stadt Lünen.

Gegenüber der Presse erklärte Bürgermeister Hans Wilhelm Stodollick: „Wir sind alles andere als glücklich über diese Entscheidung, denn wir halten Lünen und insbesondere den gewählten, innenstadtnahen Standort für den Neubau einer forensischen Klinik für nicht geeignet.“ Gegen Victoria I/II spreche die Siedlungsnähe, die Altlasten im Boden sowie Probleme bei der Erschließung.

Eine Forensik sei immer ein zusätzlicher Belastungsfaktor für eine Stadt, erklärte Stodollick. „Deshalb erfordert eine Standortentscheidung Augenmaß, auch und gerade im Hinblick auf die konkrete wirtschaftliche und stadtentwicklungspolitische Situation der betreffenden Stadt.“

Lünen sei eine Stadt, die seit dem Ende des Bergbaus mit erheblichen Problemen und vielen Herausforderungen zu kämpfen hat. Stodollick nannte stellvertretend dafür die Begriffe Arbeitslosigkeit, Integration und Haushaltsprobleme. „Wir sind dabei, das Image sowie die strukturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unserer Stadt kontinuierlich voranzubringen“, erklärte Stodollick.

„Vor dem Hintergrund der besonderen Belastungen, die Lünen bereits trägt und vor dem Hintergrund der besonderen Herausforderungen, vor denen die Stadt steht, erwarten wir als Verwaltungsvorstand auch im Namen unserer Bürgerinnen und Bürger von der Landesregierung, dass sie die Entscheidung für einen Forensikstandort in Nähe der Lüner Innenstadt nochmals überdenkt“, heißt es in der Stellungnahme.

Man stehe mit dem Gesundheitsministerium bereits in Kontakt. Wie es in der Pressekonferenz hieß, habe das Land seine Entscheidung nicht begründet. Stodollick dazu: „Wir wollen wissen, aus welchen Gründen die Landesregierung diesen Standort in Lünen ausgewählt hat. Der Bürgermeister wird deshalb nach Abstimmung mit der Lüner Politik zeitnah ein persönliches Gespräch mit der Landesregierung suchen. Darin werden wir das Gesundheitsministerium bitten, uns darzulegen, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Zudem werden wir dem Land unseren Standpunkt nochmals deutlich machen.“

Man wolle Klarheit schaffen, auch um die Fragen besorgter Bürgerinnen und Bürger zeitnah beantworten zu können.

Breite Unterstützung dabei erfährt der Verwaltungsvorstand durch die Politik. SPD-Fraktionschef Rolf Möller sprach von „einem schlechten Tag für Lünen“. Für ihn stellt sich auch die Frage, welche Möglichkeiten die Stadt noch hat, die Forensik „abzuwehren“. Er verwies auf den Kampf der Stadt Herne gegen eine solche Einrichtung. Möller sprach von neuen rechtlichen Situationen, die eine rechtliche Prüfung möglich machen. Sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft sein, müsse am Ende eine Lösung für ein möglich sicheres Lünen her.

CDU-Fraktionschefin Annette Droege-Middel erklärte, sie sei „tief enttäuscht über die Entscheidung der Landesregierung“. Lünen müsse alle Mittel ausschöpfen, um die Forensik zu verhindern. „Wir können uns nicht vorstellen, warum dieses Grundstück von der Landesregierung als geeigneter bewertet wurde als andere Grundstücke im Kammerbezirk Dortmund. Wir erwarten jetzt Transparenz.“

Prof. Dr. Johannes Hofnagel als Fraktionsvorsitzender der GFL ließ wissen, dass die Wählergemeinschaft „sehr erschrocken von der Nachricht ist“. „Wir alle müssen uns die Frage stellen, ob wir alles dagegen getan haben.“ Die GFL werde sich als Teamspieler in das Bemühen gegen die Forensik einbringen.

Bündnis 90/Die Grünen wollen sich erst nach einem persönlichen Gespräch mit NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens zu der Forensik-Entscheidung positionieren. „Für uns ist das noch zu kurzfristig“, erklärte Fraktionssprecherin Erika Roß.

„Auch uns hat das sehr getroffen“, lautete die erste Reaktion von FDP-Fraktionsvorsitzenden Hubert Walnsch. „Was mich stört: Die Stadt ist betroffen, und die Entscheidung wird im stillen Kämmerlein gefällt.“. Der Bürgermeister hätte viel früher informiert werden müssen. Stadtsprecherin Simone Kötter merkte dazu an, dass die NRW-Gesundheitsministerin zugesichert habe, frühzeitig nach Lünen zu kommen.

Dieter God aus der UWS-Fraktion gab sich wenig überrascht. Er wolle schon im August davon erfahren haben, dass es Lünen trifft.

Evelyn Berger von der Fraktion Die Linke erinnerte an die soziale Verantwortung auch gegenüber psychisch kranken Straftätern. „Dieser Verantwortung muss sich die Stadt stellen.“