Berin. . Das Erste zeigt einen Film über den Generalfeldmarschall Erwin Rommel - schon vor Ausstrahlung hat der Film für Debatten gesorgt. Hauptdarsteller Ulrich Tukur verteidigt den “Wüstenfuchs“ im Interview: Der sei kein Held, sondern eher eine tragische Figur gewesen.

Der ARD-Film über den Generalfeldmarschall Erwin Rommel (1891-1944) hat schon vor seiner Ausstrahlung für heftige Debatten gesorgt. Am Mittwoch feiert der Film über die letzten sieben Monaten im Leben des Wehrmacht-Generals in Berlin Premiere. Am 1. November (20.15 Uhr) der Film im Ersten ausgestrahlt. Im Interview spricht der Hauptdarsteller Ulrich Tukur über seine Rolle als "Wüstenfuchs" und seinen nächsten Einsatz als "Tatort"-Kommissar.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie die Rolle nicht nur erforscht, sondern Rommel auch "lieb gewonnen" hätten. Wie meinten Sie das?

Tukur: Um eine darzustellende Person überzeugend zu verkörpern, müssen Sie einen Zugang zu ihr finden. Sie müssen sie erkunden und in ihr etwas entdecken, was Sie interessiert, anrührt, in Ihnen etwas zum Schwingen bringt. Vielleicht erkennen Sie sich sogar in Teilen selbst in einer fremden Biografie. Auch das habe ich schon erlebt. Es gibt Menschen, die sich einem schnell erschließen, andere öffnen sich nie. Die sollte man nicht spielen.

Ich habe viele vordergründig abweisende, dunkle Charaktere gespielt, hinter deren Fassade ich aber etwas gefunden habe, was erstaunlich war und mich interessierte. Man muss Ja sagen zu der Figur, die man verkörpert, denn man lebt mit ihr eine gewisse Zeit. Und irgendwann wächst sie einem sogar vielleicht ans Herz. Das meine ich mit "lieb gewinnen".

Wie schwer ist Ihnen das bei dem Generalfeldmarschall Rommel gefallen?

Tukur: Nicht schwer. Ich hatte das typische, unvollständige Bild von ihm. Eine Mischung aus Wüstenfuchs, ritterlichem Krieger, Frankreich-Feldzug, Atlantikwall, Widerstand und Selbstmord. Als ich mich hineinarbeitete in die Materie, Dokumente sichtete, Biografien las, entdeckte ich zu meinem Erstaunen hinter der Fassade des kriegerischen Draufgängers einen Menschen, der tief verunsichert war, dem alles zu entgleiten drohte.

Rommel hatte erkannt, dass er einem Mann diente, der sein Vaterland in den Abgrund führte. Er war einer der wenigen Generäle, die den Mut besaßen, Hitler zu widersprechen, konnte sich aber aus seiner Abhängigkeit nicht lösen. Er war kein Held, kein Widerständler, eher eine tragische Figur, die einen Unterschied hätte machen können und am Ende alles verlor.

Es geht bei dieser Rolle auch um die Frage nach der Schuld.

Tukur: Sicher. Schuldig waren sie alle, wenn Sie so wollen. Auch Tresckow und Stauffenberg waren dabei, als 1939 Polen überfallen wurde. Aber sie haben ihre Haltung geändert, als sie erkannten, dass die nationalsozialistische Führung gegen alle sittlichen und ethischen Werte verstieß und der Krieg sich als menschenverachtender Eroberungsfeldzug entpuppte, der mit der Revidierung von Versailles nichts mehr zu tun hatte. Aber Sie müssen die Menschen in ihrer Zeit verstehen und dürfen nicht unsere Moralvorstellungen an Generationen legen, die ganz anders erzogen waren und in völlig anderen politischen und weltanschaulichen Verhältnissen lebten.

Wir können uns heute kaum mehr vorstellen, wie tief und verbindlich ein Treueschwur war, und was es Menschen wie Rommel kostete, so etwas infrage zu stellen. Ich bin mir fast sicher, dass zukünftige Generationen auch uns schuldig sprechen werden, schuldig der Zerstörung der biologischen Grundlagen unseres Lebens, der Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid von Menschen und Tieren, die bei der rücksichtslosen Ausbeutung des Globus auf der Strecke bleiben. Seien wir also vorsichtig bei der Zuweisung von Schuld.

Schon lange vor der Ausstrahlung gab es eine heftige Debatte über den Film. Was entgegnen Sie Kritikern, die finden, Rommel werde den Fernsehzuschauern zu positiv vermittelt? Die Familie Rommel wiederum befürchtete, dass die Darstellung im Film Erwin Rommel nicht gerecht werde.

Tukur: Jeder hat "seinen Rommel" im Gepäck und weiß genau, wie er war. Lächerlich! Wir wagen eine Nahaufnahme dieser historischen Persönlichkeit. Es ist ja nur eine Annäherung an eine mögliche Wahrheit. Uns hat interessiert, was geschieht in der Seele eines Menschen, der merkt, dass er ein furchtbares und verlorenes Spiel spielt und um die Kraft ringt, es zu beenden. Wie macht man diesen Konflikt durch die starre Fassade des Soldaten hindurch sichtbar?

Ich finde, wir haben das sehr umsichtig und respektvoll getan. Es ging uns nicht um Demontage, sondern um das vorsichtige Zurechtrücken lieb gewordener Ansichten. Die Dokumentation, die gleich nach dem Film ausgestrahlt wird, bemüht sich um den größeren Hintergrund und zeigt eine andere Perspektive. Das ist doch ein toller Abend über Geschichte.

Was ist schwerer für Sie: Fiktionale Figuren zu spielen oder real existierende?

Tukur: Real existierende Figuren sind spannend, können aber abhängig von ihrem Bekanntheitsgrad harte Brocken sein. Bei Breloers Film über Herbert Wehner hatte ich das Glück, den jungen Wehner zu verkörpern, den niemand kannte. Heinz Baumann musste den alten Politiker spielen. Den kannte jeder. Spielen Sie mal dagegen an! Die ultimative Katastrophe aber ist Hitler.

Er kommt allerdings in "Rommel" auch vor.

Tukur: Ja, er wird von meinem alten Freund Johannes Silberschneider gegeben. Er hält sich sehr wacker. Aber gegen den Großschauspieler aus Braunau hat man eigentlich nur eine wirkliche Chance, wenn man ihn stark verfremdet. So wie es Charlie Chaplin in "Der große Diktator" gemacht hat.

Zum Schluss noch eine Frage zum "Tatort": Wann sehen wir Sie wieder als LKA-Beamter Felix Murot, der an einem Hirntumor erkrankt ist?

Tukur: Ich drehe ab Anfang November mit Justus von Dohnányi eine neue Folge. Murot liegt nach einer Operation in einer Rehaklinik und ist geheilt. Zufällig gerät er in einen kleinen, heruntergekommenen Wanderzirkus, in dem sich ein furchtbares Drama abspielt. Er schließt sich dem Zirkus an, und bald fragen wir uns, ob die Operation auch wirklich erfolgreich war. Ich weiß, dass unser "Tatort" nicht Jedermanns Sache ist, aber es darf doch bei einem so robusten und erfolgreichen Format erlaubt sein, mal einen poetischen Unsinn zu veranstalten. (dapd)