Bergkamen/Werne.
Zu viereinhalb Jahren Haft verurteilte die 33. Kammer des Landgerichtes Dortmund unter Vorsitz von Richter Peter Windgätter am heutigen Freitag den 51-jährigen Mann aus Werne, der seine Stieftochter seit ihrem 6. Lebensjahr über Jahre sexuell zum Teil schwer missbraucht hat. Bedeutend für die Kammer war die Glaubwürdigkeit des heute 19-jährigen Opfers, das sich erst mit 16 Jahren dazu hat durchringen können, ihren Stiefvater anzuzeigen.
Zum Schluss des Prozesses wollte der Angeklagte, der wegen Veruntreuung von Geldern eines Sparclubs bereits eine Ersatz-Freiheitsstrafe absitzt, die Glaubwürdigkeit seines Opfers erschüttern und ließ eine Vertreterin des Jugendamtes der Stadt Werne im Zeugenstand vernehmen. Die 46-Jährige konnte sich ohne Aktenstudium („Die Zeit reichte nicht.“) an wenig Details aus dem Jahr 2008 erinnern, als der 51-Jährige nach der Trennung von seiner Frau das alleinige Sorgerecht für die vier Kinder beantragt hatte.
Nur soviel: Seinerzeit sei auch schon von sexuellen Übergriffen die Rede gewesen, denen man in der Behörde allerdings zunächst nicht nachgegangen sei. Angaben des Angeklagten, seine Stieftochter habe ihn seinerzeit schon falsch belastet, wies die Vertreterin der Stadt allerdings zurück, so dass auch die überraschend erweiterte Beweisaufnahme keine neuen Erkenntnis brachte, sondern vielmehr die bekannten bestätigte.
Wichtigste Erkenntnis schöpfte die Kammer allerdings aus dem „überzeugenden Gutachten“ (Vorsitzender Richter), in dem die psychologische Sachverständige Dr. Melanie Badstieber dem Opfer attestierte: „Ohne realen Erlebnisbezug wären ihre genauen Schilderungen nicht möglich gewesen.“ Auch 13 Jahre nach dem ersten sexuellen Übergriff - damals musste sich das Kind auf die Stirn des ehemaligen Marinesoldaten und Lackierers setzen - seien die einschneidenden Erlebnisse nicht verblasst, die Gutachterin sprach von einem „guten Erinnerungsvermögen“, das mangels eigener Phantasie sehr realitätsnah sei. Eine Belastungstendenz aus Rache schloss sie aus.
So berichtete die junge Frau, die mit 15 selbst Mutter wurde, ruhig und besonnen von bis zu 30 sexuellen Belästigungen in der Woche, die selbst die Anwesenheit der Mutter oder einer Skatrunde im Nachbarraum nicht verhindern konnte. Auf dem Weg zur Toilette sei der Stiefvater, der sich gern schon mal einen trank, im Kinderzimmer vorbeigekommen und habe sie, wie er es stets nannte, „zur Strafe“ gezwungen: Mal zu einer kurzen Berührung, dann zur versuchten und später zur vollendeten Vergewaltigung. Bis vor gut vier Jahren, als sie mit ihrem Sohn schwanger war, so dass der Angeklagte von ihr abließ und sie ihre jüngere Schwester (10) vor einem ähnlichen Schicksal bewahren wollte.
Am Tag vor der Urteilsverkündung nahm der an Handschellen gefesselte Angeklagte im Gerichtssaal noch seine 17-jährige Lebensgefährtin in die Arme und war von einem Freispruch überzeugt. Die Freiheitsstrafe nahm er sprach- und regungslos entgegen.