Lünen.. Seit eineinhalb Jahren war die Leiche eines sechs Monate alten Babys in einer Wohnung in Lünen versteckt, erst jetzt wurde sie entdeckt. Durch Zufall, bei Aufräumarbeiten nach einem Brand.
Es gibt Ereignisse, für die reicht das übliche Zeitungsdeutsch wie „grausiger Fund“ nicht mehr aus. Ereignisse wie der Fall einer alleinerziehenden Mutter, die ein Baby heimlich zur Welt bringt.
Das Kind stirbt nach sechs Monaten und die skelettierte Leiche wird eineinhalb Jahre später bei Aufräumarbeiten nach einem Brand entdeckt. So hat es sich am vergangenen Donnerstag in einer Mietwohnung im Norden Lünens zugetragen. Die menschliche Tragödie, die dahintersteckt, ist gewaltig. Der Reihe nach.
Polizei und Staatsanwaltschaft nennen keine Details
Am Freitag, 28. September, brennt es in einem Badezimmer in einer Mietwohnung im Norden der Stadt. Von außen keine große Sache, es sind nur geringe Rauchspuren zu erkennen. Am Donnerstag, 4. Oktober, taucht bei Aufräumarbeiten auf einmal das Skelett eines Kleinkindes auf, das zum Zeitpunkt des Todes ungefähr sechs Monate alt gewesen sein muss. Das teilte die Polizei am Freitag mit.
Weiterhin heißt es behördlich knapp in der Nachricht, die Ermittlungen hätten keinen „Nachweis eines Fremdverschuldens“ am Tod des Kindes ergeben. Und in der Mitteilung heißt es weiter: „Die alleinerziehende Mutter des Kindes, die das Baby heimlich zur Welt gebracht hatte, war mit dem Tod des Kindes überfordert und konnte sich daher nicht um die Beerdigung kümmern. Sie wurde nach ihrer Vernehmung entlassen und befindet sich in ärztlicher Behandlung.“ Es gebe keinerlei Hinweise auf eine Straftat.
Trotz der Mitteilung bleiben viele Fragen offen. Die Polizei Dortmund, die Staatsanwaltschaft und auch die Feuerwehr Lünen nennen keine Details zum toten Kind.
Mutter des toten Kindes litt möglicherweise unter "Bindungsstörung"
Erklärungsversuche unternahm am Freitag der Lüner Psychotherapeut Dr. Christian Lüdke. Er ist Experte für die Betreuung von Gewalt- und Kriminalitätsopfern. Christian Lüdke geht davon aus, dass die Mutter des toten Kindes unter einer sogenannten „Bindungsstörung“ leidet.
Eine Einschätzung gab es von Lüdke auch zu der Frage, wie ein Kind verschwinden kann, ohne dass das Umfeld sich sich rührt. Auch hier gibt Lüdke einen Hinweis aus fachlicher Sicht. Im Umfeld komme es oft zu einer „Verantwortungsdiffusion“: „Je mehr Menschen von so einem Missstand wissen, desto weniger kümmern sich darum. Jeder fragt sich: Warum soll ausgerechnet ich mich darum kümmern?“, so der Psychotherapeut.
Das Feuer in der Wohnung war laut Feuerwehr im Badezimmer ausgebrochen. Demnach war ein Schlauch in einem Warmwasserboiler durchgebrannt. Das dadurch entfachte Feuer brachte den Spülkasten einer Toilette zum Schmelzen, das auslaufende Wasser lief in die Wohnung darunter.
Bewohner riefen wegen des Wassers am Freitagabend die Polizei, die Rauch aus dem brennenden Zimmer bemerkte und die Feuerwehr alarmierte. Menschen waren zu dem Zeitpunkt nicht in der Wohnung. Eine Nachbarin wurde durch Rauch verletzt.