Washington. Die drei TV-Debatten sind die womöglich letzte Chance für den Republikaner Mitt Romney, im US-Präsidentschafts-Wahlkampf entscheidend zu punkten. Entsprechend nervös sind beide Lager: Beide Kandidaten proben bereits seit Tagen für das erste TV-Duell.

In den USA hat fünf Wochen vor der Präsidentenwahl mit dem Beginn der vorzeitigen Stimmabgabe in entscheidenden Staaten und der ersten von drei Fernsehdebatten der Präsidentschaftskandidaten der Schlussspurt des Wahlkampfs begonnen. Von den neun Staaten, in denen sich die Wahl wohl entscheiden wird, gibt es in sieben die Möglichkeit einer vorzeitigen Stimmabgabe.

In Ohio begann sie am Dienstag. Ab jetzt geben Wähler täglich schon ihre Stimme ab. Für den republikanischen Herausforderer Mitt Romney sind die Fernsehdebatten seine vielleicht beste und letzte Chance, den Stimmungstrend, der derzeit eher gegen ihn läuft, noch umzukehren. Jüngsten Umfragen zufolge hat Präsident Barack Obama in dem zuletzt noch knappen Rennen nun doch die Nase vorn.

Romney muss in der ersten Debatte in der Nacht zum Donnerstag (MESZ) nach etlichen Rückschlägen in den vergangenen Wochen nicht nur unschlüssige Wähler überzeugen, sondern auch um Rückhalt in der eigenen Partei kämpfen. Es wurde erwartet, dass er im ersten direkten Aufeinandertreffen mit Obama vor bis zu 60 Millionen Fernsehzuschauern vor allem die weiter schwächelnde US-Wirtschaft als Steilvorlage für Argumente gegen Obama aufgreift.

Das Verhältnis zwischen den Kandidaten gilt als eher distanziert: Das Fernsehduell wird das erste Zusammentreffen der beiden seit fast fünf Jahren sein. "Ich kenne ihn nicht wirklich gut", sagte Obama im Interview der Nachrichtenagentur AP. "Romney hat anscheinend riesigen Erfolg in seinem Unternehmen gehabt und er konzentriert sich offensichtlich sehr darauf, Präsident zu werden. Er kümmert sich sehr um seine Familie und - soweit ich weiß - kümmert er sich sehr um seinen Glauben."

Zwei Multimilliardäre mit Elite-Uni-Abschluss

Romney äußerte sich ähnlich über den Präsidenten als Vater und Familienmensch. Aber die Beschreibungen, die im Wahlkampf benutzt werden, sind weit weniger schmeichelhaft. Romney wirft dem Präsidenten vor, "mehr europäische als amerikanische" Ansichten zu pflegen. Obama sagt, Romney habe die Hälfte des Landes abgeschrieben.

Dabei haben die Rivalen einige Gemeinsamkeiten. Beide sind Absolventen der Jura-Fakultät der renommierten Harvard Universität. Romney verfügt zusätzlich noch über einen Abschluss in Wirtschaft. Beide sind Multimillionäre, auch wenn das geschätzte Vermögen von Romney mit 250 Millionen Dollar (195 Millionen Euro) das von Obama weit übertrifft, der über 8,3 Millionen Dollar (6,5 Millionen Euro) verfügt.

Die Kandidaten fremdeln miteinander

US-Politiker kennen sich sonst häufig aus Washingtoner Zeiten. Doch Obama saß vor seiner Präsidentschaftskandidatur 2008 nur zwei Jahre lang im Senat. Und Romney verbrachte den Großteil seiner Karriere in der Wirtschaft und hat nie in der Hauptstadt gearbeitet. Das unterscheidet die beiden von vielen der anderen Konkurrenten, die um das Weiße Haus kämpften. Obama und John McCain, der republikanische Gegenkandidat von 2008, hatten im Senat zusammengearbeitet. 2004 kannten sich Präsident George W. Bush und Herausforderer John Kerry aus gemeinsamen Washingtoner Zeiten, ebenso 1996 Präsident Bill Clinton und Konkurrent Bob Dole.

Sara Taylor Fagen, eine frühere Bush-Beraterin, sagt, die wenig ausgeprägten persönlichen Beziehungen dürften sich bei den TV-Debatten als zweifelhafter Segen erweisen. "Auf der einen Seite sind sie (die Debatten) dadurch entpersonalisiert. Jeder kann sagen: 'Ich kenne Sie nicht wirklich, ich kann alles aussprechen, was nötig ist'", prognostiziert Fagen. "Auf der anderen Seite ist Familiarität etwas wirklich Hilfreiches. Selbst wenn es sich um erbitterte Gegner handelt, gibt es dann doch eine gewisse Vertrautheit."

Präsident Obama probte in der Wüste von Nevada

Die Kandidaten fremdeln also eher miteinander. Und der amtierende Präsident Obama hat momentan andere Sorgen, als sich mit den Romneys zum Tee zu treffen: Obama muss die Wähler um mehr Zeit für die Umsetzung eingeleiteter Reformen bitten. Um optimal anzukommen, zog er sich für drei Tage in die Wüste von Nevada zurück, wo ihm in einem Hotel ein Nachbau der Fernsehbühne zur Verfügung stand. Auch Romney hat intensiv für die drei bevorstehenden Fernsehduelle geprobt: Mit seinen Beratern hat er an seiner Körpersprache und anderen Details gearbeitet, um auf den Bildschirmen stark und sympathisch zu wirken.

Beide Kandidaten wissen, dass es in der Live-Situation nicht nur zu punkten gilt, sondern dass es auch enorm wichtig ist, Fehler zu vermeiden, die wieder und wieder im Fernsehen gezeigt werden könnten. Im Wahlkampf hat sich der Demokrat als Präsident präsentiert, der eine zweite Amtszeit braucht, um begonnene Reformen abzuschließen. Im direkten Aufeinandertreffen dürfte es sich Obama kaum nehmen lassen, Romney wegen seines dubiosen Umgangs mit Steuererklärungen anzugreifen und ihn als außenpolitisches Greenhorn darstellen. (AP/dapd)