Hervest. . Fast unter jedem Hausdach gurrten Brieftauben. Die Zechensiedlung in Hervest war in den 1950er-Jahren, und auch noch viele Jahre später, fest in Hand von Taubenzüchtern. 1953 gehörten 460 Brieftaubenliebhaber der Reisevereinigung Hervest-Dorsten an. Allein die Hälfte kam aus Hervest, die andere aus Dorf Hervest, Holsterhausen, Lembeck, Wulfen und Gahlen.
Fast unter jedem Hausdach gurrten Brieftauben. Die Zechensiedlung in Hervest war in den 1950er-Jahren, und auch noch viele Jahre später, fest in Hand von Taubenzüchtern. 1953 gehörten 460 Brieftaubenliebhaber der Reisevereinigung Hervest-Dorsten an. Allein die Hälfte kam aus Hervest, die andere aus Dorf Hervest, Holsterhausen, Lembeck, Wulfen und Gahlen.
„Damals lag Taubenschlag an Taubenschlag“, erinnert sich der 80-jährige Kurt Puschnig. „Die Kriegsvertriebenen erhielten einen Bollerwagen, Gartengeräte und vielleicht noch ein Schwein oder Hühner. Und irgendwo war noch Platz für Tauben.“ Die meisten auf den Dachböden. Einige auch im Garten. Aus Holzabfällen zusammengezimmert. „An meinem ersten Schlag gab es kein einziges neues Brett“, erzählt Harald Kühn.
Bis zu 8000 D-Mark wurden pro Preisflug ausgeflogen
Fast ein Muss für jeden Bergmann. Die Schläge waren aber viel kleiner als heute. „Ich bin mit zwei Tauben losgezogen“, erzählt Harald Kühn. Der Schnitt schickte sechs bis acht Tauben ins Rennen. „Wer mehr als 15 Tauben schickte, hatte einen Riesenschlag“, sagt Kurt Puschnig. Heute setzen viele Züchter 60 oder mehr Tiere ein. „Für mehr Tauben war einfach kein Geld da“, weiß der Bau-Ingenieur, der einige Jahre unter Tage gearbeitet hatte, aus eigener Erinnerung. Er selbst habe sich als Student auch nicht mehr leisten können.
Für eins war aber doch genug Kohle im Portemonnaie: fürs Setzen. Bis zu 6000 bis 8000 D-Mark wurden früher pro Wettflug ausgespielt. Viel mehr als heute. Dabei, so Kühn, sei das Geld viel knapper gewesen. Kühn: „Es gibt heute weniger Teilnehmer und viele Spezialisten, so haben die meisten Züchter keine Chance mehr, deshalb setzen sie erst gar nicht“, erklärt Harald Kühn die Entwicklung.
Geändert hat sich aber auch die Geselligkeit. „Ich bin fast jedes Mal versackt“, erzählt Harald Kühn lächelnd. Heißt: Sonntags nach der Uhrenabgabe saßen die Kumpels noch lange bei dem einen oder anderen Bier gemütlich zusammen. „Meine Frau musste dann darauf achten, dass ich am nächsten Tag auch wirklich pünktlich zur Arbeit kam.“
Wenn schon mal zu viel Bier floss, flogen auch schon mal – wenn auch sehr selten – die Fäuste. Die Züchter provozierten sich mit den (schlechten) Taubenleistungen des anderen: „Dann gab’s was auf die Nuss. Wie im Wilden Westen.“ Heute unvorstellbar. Schon deshalb, weil kaum ein Züchter nach der Auswertung längere Zeit im Lokal bleibt.
Der Spruch, dass die Brieftauben die Rennpferde des kleinen Mannes sind, ist für Harald Kühn auch überholt. Vielmehr dominierten heute sehr häufig Züchter mit modernen, teuren Schlägen das Geschehen.