Lünen. Mit einer inszenierten Lesung zeigte Jürgen von der Lippe „Best of Eigenes“ am Dienstagabend im ausverkauften Hansesaal. Dabei stellte er sein neuntes Buch „Verkehrte Welt“ vor und präsentierte einen Querschnitt durch sein literarisches Schaffen.
„Ich tue mich ein bisschen schwer mit dem Eigenlob, aber mein neuestes Buch ist schon wirklich gut. Schließlich habe ich hier auch eine Wahrheitsverpflichtung.“ Mit einer „inszenierten Lesung“ unter dem Titel „Best of Eigenes“ gastierte Jürgen von der Lippe am Dienstagabend im ausverkauften Hansesaal. Dabei stellte er nicht nur sein nunmehr neuntes Buch „Verkehrte Welt“ vor, das wieder in Zusammenarbeit mit Monika Cleves entstanden ist. Er präsentierte auch einen Querschnitt durch sein bisheriges literarisches Schaffen und lieferte Kostproben aus seinen zukünftigen Buchprojekten.
Von der Lippe als kritischer Zeitgeist
Er begann mit einer Satire, wie sie der berühmte Satiriker Kurt Tucholsky nicht besser hätte formulieren können. Von der Lippe nahm sich die widersprüchlichen Meldungen und Kommentare zum Tod von Osama Bin Laden vor. An diesen Beispielen zeigte er, dass die Realität oder das, was als solche verkauft wird, immer noch die besten Vorlagen liefert. „Was sollen wir tun, wenn Bin Laden sich nicht ergibt?“-„Erschießen!“ „Und wenn er sich ergibt?“-„Das Gleiche!“ „Schließlich ist ein einzelner Mann mit erhobenen Händen eine ziemliche Bedrohung für dreißig schwer bewaffnete Elitesoldaten“, stellte von der Lippe fest. Hier lernte das Publikum den Autor mal als kritischen Zeitgeist kennen, eine Seite, die sich sicher noch ausbauen lässt.
Fiktive Geschichten glänzen mit Absurdität
Bei den Auszügen aus „Verkehrte Welt“ handelte es sich dagegen um fiktive Geschichten, die immer wieder durch überraschende Wendungen und vor allem durch ein nicht zu übertreffendes Maß an Absurdität glänzten. „Da habe ich mit Monika Cleves kontraintuitiv gearbeitet. Wir haben uns die Texte zugemailt und der andere hat für die aberwitzigen Wendungen gesorgt.“ Da wird aus der großen Welt der organisierten Kriminalität berichtet: In einem Fußballspiel haben Mafia-Gruppen verschiedene Spieler gekauft. Die einen sollen sich für den Sieg, die anderen für die Niederlage einsetzen. Und wie löst sich das Knäuel der divergierenden Verstrickungen? Die Autoren lassen einen Vulkan ausbrechen, der das gesamte Fußballfeld und damit auch alle Spieler unter seine Lava begräbt. Naturkatastrophe als „Deus ex Machina“. Ungewöhnliche, oft bildhafte Formulierungen werden zur Milieuschilderung benutzt. Da wird ein Lächeln als „mechanische Gebissfreisetzung“ beschrieben, da wird der Kampf von zwei übergewichtigen Kegeldamen um einen Tänzer als „Sandwichtanz“ bezeichnet, bei dem „der männliche Part optisch keine Rolle mehr spielt.“ Die Themenvielfalt bei den Kurzgeschichten reicht vom schwitzenden und stinkenden Orang-Utan in der Sauna bis zum Ausflug in den klassischen Wilden Westen: „Ich fühle mich so einsam im Sattel, seit mein Pferd tot ist.“
Literarisch gewachsen
Die Auszüge aus früheren Werken zeigten, dass von der Lippe im Zeitablauf literarisch gewachsen ist. Während das Frühwerk noch auch Witzen bestand, die man komisch finden konnte oder nicht, ging es bei „Sie und Er“ und „Noch viel mehr Sie und Er“ um Betrachtungen der Welt aus weiblicher und männlicher Sicht. Wobei man feststellen musste, dass Mann und Frau jeweils eigene Wesen sind, die fälschlicherweise unter dem Oberbegriff Mensch zusammengefasst werden. Natürlich bediente von der Lippe auch die Klischeeerwartungen in Bezug auf Themen unterhalb der Gürtellinie. Wobei mal die Männer, mal die Frauen lauter lachten. Aber immer wieder kamen trotz der oberflächlich erscheinenden Leichtigkeit dahinter stehende tiefere Gedanken zu Ausdruck. Und beim Blick ins Publikum konnte man verwundert feststellen, dass es einem Mann, der 35 Jahre im Geschäft ist, gelang, Leute anzuziehen, die dieses Alter gerade mal erreicht hatten oder wesentlich jünger waren.