Berlin. Am 12. September 1992 verstarb Anthony Perkins. Perkins spielte in über 40 Kinofilmen, stand als Sänger in den Charts. Und doch prägte sein Image zeitlebens vor allem eine Rolle: die des Muttersöhnchens und Triebtäters Norman Bates in Alfred Hitchcocks “Psycho“.

Er hat in über 40 Kinofilmen mitgespielt, war auf der Theaterbühne und als Musicaldarsteller erfolgreich und landete mit der Single "Moonlight Swim" immerhin auf Platz 57 der Billboard Charts. Doch all diese Facetten verblassen angesichts einer Rolle, die das Image von Anthony Perkins zeitlebens prägte. So sehr, dass auch 20 Jahre nach seinem Tod am 12. September 1992 sein schauspielerisches Werk sich im öffentlichen Bewusstsein auf jene Figur reduziert: die des psychopathischen, auf die Mutter fixierten Triebtäters Norman Bates. Alfred Hitchcocks Film "Psycho" (1960) war erst Perkins dritter Leinwandauftritt überhaupt. Für seine Rolle zuvor, als schüchterner Farmersohn in "Lockende Versuchung" (1956), war er für einen Oscar nominiert worden. Seine Leistung in "Psycho" wurde zwar mit keinem Preis gewürdigt, sie machte den 1932 in New York geborenen Perkins allerdings weltberühmt.

Alfred Hitchcock

Alfred Hitchcock galt bis in die fünfziger Jahre hinein lediglich als großer Techniker des Kinos. Dann wurde er als Erfinder des Spannungskinos gefeiert. Heute, 30 Jahre nach seinem Tod, ist der Brite längst als Künstler von Jahrhundertrang in die Geschichte eingegangen.
Alfred Hitchcock galt bis in die fünfziger Jahre hinein lediglich als großer Techniker des Kinos. Dann wurde er als Erfinder des Spannungskinos gefeiert. Heute, 30 Jahre nach seinem Tod, ist der Brite längst als Künstler von Jahrhundertrang in die Geschichte eingegangen.
Für viele Zuschauer ist
Für viele Zuschauer ist "Hitchcock" schlicht ein Synonym für Kintopp - wie heute vielleicht nur noch Steven Spielberg. In seiner über sechs Jahrzehnte andauernden Laufbahn drehte der Regisseur 64 Kinofilme und nebenbei zahlreiche Fernsehfilme und -serien.
Er gab Kriminalmagazine heraus und schrieb Bücher mit so hübschen Titeln wie
Er gab Kriminalmagazine heraus und schrieb Bücher mit so hübschen Titeln wie "Stories That Even Scared Me". Er beeinflusste nicht nur Horrorfilm-Ikonen wie John Carpenter ("Halloween"), sondern faszinierte vor allem intellektuelle Regisseure wie François Truffaut.
Alfred Joseph Hitchcock wurde 1899 in eine Zeit geboren, in der die bewegten Bilder begannen, die Welt zu erobern. Es heißt, dass der Sohn eines Londoner Obsthändlers von seiner streng katholischen Mutter verhätschelt und später im Jesuiteninternat gemobbt wurde.
Alfred Joseph Hitchcock wurde 1899 in eine Zeit geboren, in der die bewegten Bilder begannen, die Welt zu erobern. Es heißt, dass der Sohn eines Londoner Obsthändlers von seiner streng katholischen Mutter verhätschelt und später im Jesuiteninternat gemobbt wurde.
Seinen ersten Spielfilm
Seinen ersten Spielfilm "Irrgarten der Leidenschaft" drehte er 1925 in München. Er spezialisierte sich schnell auf das Krimigenre. Nach 10 Stumm- und 15 Tonfilmen wurde er von Film-Mogul David Selznick 1940 nach Hollywood geholt.
Mit dem Grusel-Klassiker
Mit dem Grusel-Klassiker "Rebecca" begann eine einzigartige Kreativitätsphase. Neben Meisterwerken wie "Vertigo", "Marnie", "Das Fenster zum Hof", "Der unsichtbare Dritte", "Immer Ärger wie Harry" und "Der Mann, der zuviel wusste", ...
... gelten vor allem
... gelten vor allem "Die Vögel" ...
... und
... und "Psycho" als Meilensteine der Filmgeschichte.
Erst in den späten Sechzigern und mit dem Aufkommen des
Erst in den späten Sechzigern und mit dem Aufkommen des "New Hollywood"-Kinos begann sein Stern zu sinken.
Hitchcock, ein kleiner dicker Mann mit Trompetenbacken, galt als diktatorischer, perfektionistischer Filmemacher, der die suggestive Wirkung seiner Werke von langer Hand plante und bis hin zum Marketing alles im Griff hatte.
Hitchcock, ein kleiner dicker Mann mit Trompetenbacken, galt als diktatorischer, perfektionistischer Filmemacher, der die suggestive Wirkung seiner Werke von langer Hand plante und bis hin zum Marketing alles im Griff hatte.
Eines seiner Lieblingsmotive war der von ihm benannte
Eines seiner Lieblingsmotive war der von ihm benannte "MacGuffin", eine ominöse Figur oder ein Gegenstand, um den sich alles dreht. Berüchtigt war seine Hassliebe zu kühlen Blondinen wie Grace Kelly und Tippi Hedren, die er zu Göttinnen erhob und dann grausam vom Podest stieß.
Hedren, die bei einer nicht abgesprochenen Vogelattacke im Thriller
Hedren, die bei einer nicht abgesprochenen Vogelattacke im Thriller "Die Vögel" einen Nervenzusammenbruch erlitt, hatte am meisten unter dem Egomanen zu leiden.
Dagegen waren die Qualen von Janet Leigh, deren legendärer Schrei in
Dagegen waren die Qualen von Janet Leigh, deren legendärer Schrei in "Psycho" unter der Dusche von einem kalten Schauer ausgelöst wurde, noch gering.
Bereits zu Lebzeiten erkannte man, wie sehr
Bereits zu Lebzeiten erkannte man, wie sehr "Hitch" von seinen Obsessionen angetrieben wurde.
Heutige Verehrer wie etwa Giullermo del Toro (
Heutige Verehrer wie etwa Giullermo del Toro ("Hellboy") nennen ihn den "Walt Disney der Perversion". In Erinnerung bleibt er als freundliches Monster, dem nichts so viel Spaß machte, wie den Zuschauer zu Tode zu erschrecken.
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Der verhaltensgestörte Anti-Held

Immer wieder schlüpfte Perkins im Laufe seiner Karriere in die Rolle des verhaltensgestörten, scheuen Sonderlings - und das nicht nur in den drei "Psycho"-Fortsetzungen. Ob als Josef K. in Orson Welles Kafka-Adaption "Der Prozess" (1962) oder in Claude Chabrols Thriller "Der zehnte Tag" (1972) - als Zuschauer kommt man nicht umhin, in Perkins ausdrucksvollem Gesicht stets auch Norman Bates zu erblicken.

Auch der Buchhalter mit Borderline-Syndrom, den er in Petra Haffters "Der Mann nebenan" (2001) verkörpert, eine seiner letzten Filmarbeiten überhaupt, ist eine weitere Variation dieses Typs des zugleich bedrohlichen wie bedauernswerten Anti-Helden. Perkins habe diese Rollenfestlegung nicht als Reduzierung, sondern vielmehr als außergewöhnliche Chance erlebt, erinnert sich Regisseurin Haffter. Auf diese Weise sei ihm möglich gewesen, wozu ein Schauspieler sonst kaum Gelegenheit habe: "Er konnte die Rolle perfektionieren."

Hollywood-Klassiker

... bewiesen, dass sich sowohl ein Lacher als auch eine Träne immer nur in der Anwesenheit des jeweils anderen nachhaltig entfalten kann. Purer Slapstick hatte damit ausgedient.
... bewiesen, dass sich sowohl ein Lacher als auch eine Träne immer nur in der Anwesenheit des jeweils anderen nachhaltig entfalten kann. Purer Slapstick hatte damit ausgedient. © imago stock&people
1950: Sunset Boulevard: Gute Zeiten erkennt man immer erst im Rückblick. Das mag auch für die goldenen Hollywood-Jahre gelten, denen Komödien-Spezialist Billy Wilder mit „Sunset Boulevard“ („Boulevard der Dämmerung“) ein ...
1950: Sunset Boulevard: Gute Zeiten erkennt man immer erst im Rückblick. Das mag auch für die goldenen Hollywood-Jahre gelten, denen Komödien-Spezialist Billy Wilder mit „Sunset Boulevard“ („Boulevard der Dämmerung“) ein ... © imago stock&people
... eines jungen Mannes (Anthony Perkins) annehmen, dessen Mutterliebe sich bis hin zur Selbstaufgabe steigert – Kollateralschäden an ...
... eines jungen Mannes (Anthony Perkins) annehmen, dessen Mutterliebe sich bis hin zur Selbstaufgabe steigert – Kollateralschäden an ... © imago stock&people
... eher Nachwirkung der berühmten „Psycho“-Mordszene, dass in folgenden Dekaden weiße Fliesen ebenso aus der Mode gekommen sind wie unifarbene Duschvorhänge? Dazu sollte man das kollektive Unterbewusstsein befragen. Herr Freud, bitte übernehmen Sie.
... eher Nachwirkung der berühmten „Psycho“-Mordszene, dass in folgenden Dekaden weiße Fliesen ebenso aus der Mode gekommen sind wie unifarbene Duschvorhänge? Dazu sollte man das kollektive Unterbewusstsein befragen. Herr Freud, bitte übernehmen Sie. © imago stock&people
1967: Die Reifeprüfung: Mit den gesellschaftlichen Veränderungen Mitte der 60er-Jahre wandelt sich auch das Kino: Hollywood wird, obwohl schon ...
1967: Die Reifeprüfung: Mit den gesellschaftlichen Veränderungen Mitte der 60er-Jahre wandelt sich auch das Kino: Hollywood wird, obwohl schon ... © imago stock&people
... gut ein halbes Jahrhundert alt, mit Verspätung erwachsen. Und mit ihm wandelt sich auch ein junger Bursche zum ...
... gut ein halbes Jahrhundert alt, mit Verspätung erwachsen. Und mit ihm wandelt sich auch ein junger Bursche zum ... © imago stock&people
... Mann: Dustin Hoffman, der während der Dreharbeiten bereits 30 Lenze zählte, durchleidet hier eine Adoleszenz der besonders verzwickten Art. Verführt von Mutters bester Freundin (ja, die gute Mrs. Robinson), doch verliebt in deren Tochter sucht der ziellose College-Absolvent seinen ...
... Mann: Dustin Hoffman, der während der Dreharbeiten bereits 30 Lenze zählte, durchleidet hier eine Adoleszenz der besonders verzwickten Art. Verführt von Mutters bester Freundin (ja, die gute Mrs. Robinson), doch verliebt in deren Tochter sucht der ziellose College-Absolvent seinen ... © imago stock&people
... Platz in der Welt. Und wird dabei von Regisseur Mike Nichols in ein Stahlbad getaucht, das ihm verknöcherte Moralvorstellungen und anerzogenen Komplexe abschrubbt. Spätestens mit dieser Gesellschaftssatire hatte auch das Kino seine Reifeprüfung bestanden.
... Platz in der Welt. Und wird dabei von Regisseur Mike Nichols in ein Stahlbad getaucht, das ihm verknöcherte Moralvorstellungen und anerzogenen Komplexe abschrubbt. Spätestens mit dieser Gesellschaftssatire hatte auch das Kino seine Reifeprüfung bestanden. © imago stock&people
... mit „Blade Runner“ auf eine Zukunft im ranzigen Used-Look: Qualmende Schlote, schäbige Wohn-Alkoven, saurer Regen, zwielichtige Typen und mittendrin ein gebrochener Charakter (Harrison Ford), der sich ...
... mit „Blade Runner“ auf eine Zukunft im ranzigen Used-Look: Qualmende Schlote, schäbige Wohn-Alkoven, saurer Regen, zwielichtige Typen und mittendrin ein gebrochener Charakter (Harrison Ford), der sich ... © imago stock&people
...  in den dunklen Straßen eines Großstadtmolochs auf die Jagd nach falschen Identitäten begibt. Fast so, als hätte Krimiautor Raymond Chandler seine Figuren in eine Zeitmaschine ...
... in den dunklen Straßen eines Großstadtmolochs auf die Jagd nach falschen Identitäten begibt. Fast so, als hätte Krimiautor Raymond Chandler seine Figuren in eine Zeitmaschine ... © imago stock&people
... verfrachtet. Kurzum: Wenn atmosphärische Dichte einer Vergleichsgröße bedarf, kann eigentlich nur „Blade Runner“ herangezogen werden. Scott datierte sein düsteres Endzeit-Drama übrigens anno 2019. Genießen wir also die verbleibenden acht Jahre.
... verfrachtet. Kurzum: Wenn atmosphärische Dichte einer Vergleichsgröße bedarf, kann eigentlich nur „Blade Runner“ herangezogen werden. Scott datierte sein düsteres Endzeit-Drama übrigens anno 2019. Genießen wir also die verbleibenden acht Jahre. © imago stock&people
1994: Pulp Fiction: Irgendwann ist jeder Song geschrieben, jede Geschichte erzählt, jeder Film gedreht. Dann entsteht Neues einzig in der Variation von ...
1994: Pulp Fiction: Irgendwann ist jeder Song geschrieben, jede Geschichte erzählt, jeder Film gedreht. Dann entsteht Neues einzig in der Variation von ... © imago stock&people
... Bestehendem. Wie man es in dieser Zweitverwertungs-Disziplin zur Könnerschaft bringen kann, führte Quentin Tarantino der Kino-Öffentlichkeit 1994 ...
... Bestehendem. Wie man es in dieser Zweitverwertungs-Disziplin zur Könnerschaft bringen kann, führte Quentin Tarantino der Kino-Öffentlichkeit 1994 ... © imago stock&people
... vor: Für „Pulp Fiction“ vermengte der Autodidakt Groschenroman-Plots mit B-Movie-Ästhetik und würzte das Ganze mit exzessiver Gewalt. Für Tarantinos Recyclinglust steht auch das Reaktivieren ...
... vor: Für „Pulp Fiction“ vermengte der Autodidakt Groschenroman-Plots mit B-Movie-Ästhetik und würzte das Ganze mit exzessiver Gewalt. Für Tarantinos Recyclinglust steht auch das Reaktivieren ... © imago stock&people
... fast vergessener Schauspieler (John Travolta tanzt wieder!) und nicht zuletzt der Gebrauch der Filmmusik: Statt einen ...
... fast vergessener Schauspieler (John Travolta tanzt wieder!) und nicht zuletzt der Gebrauch der Filmmusik: Statt einen ... © imago stock&people
... Soundtrack in Auftrag zu geben, untermalen Evergreens die einzelnen Episoden. Und siehe da: Hollywood labt sich an der Frischblutzufuhr – selbst wenn sie aus der Konserve kommt.
... Soundtrack in Auftrag zu geben, untermalen Evergreens die einzelnen Episoden. Und siehe da: Hollywood labt sich an der Frischblutzufuhr – selbst wenn sie aus der Konserve kommt. © imago stock&people
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Die beiden großen Geheimnisse seines Lebens

Dass Perkins nicht nur in "Psycho", sondern auch in anderen Filmen so beklemmend authentisch Menschen mit krankhafter Mutterbindung darzustellen verstand, führen seine Biografen auf den frühen Tod seines Vaters zurück. Anthony war fünf Jahre alt, als sein Vater, der Broadway-Schauspieler Osgood Perkins, starb. "Erst hat meine wirkliche Mutter mein Leben dominiert, dann Norman", fasste Perkins die Problematik seines Lebens einmal zusammen. Erst nach langen Jahren psychotherapeutischer Behandlungen war es ihm möglich geworden, sich dem anderen Geschlecht zu nähern. Zuvor hatte er ausschließlich Affären mit Männern, darunter dem Balletttänzer Rudolf Nurejew und dem Musicalkomponisten Stephen Sondheim.

Mit 39 will Perkins zum ersten Mal Sex mit einer Frau gehabt haben. Diskret wie er war, verschwieg er jedoch deren Namen. Als die Medien Gerüchte streuten, bestätigte "Dallas"-Schauspielerin Victoria Principal allerdings ihre Liaison mit dem Kollegen. 1973 heiratete Perkins die Fotografin Berinthia "Berry" Berenson, die ihn zum zweifachen Vater machte und bis kurz vor seinem Tod seine beiden großen Geheimnisse bewahrte: die seiner Homo- beziehungsweise Bisexualität sowie seine Aids-Erkrankung, an deren Folgen er 1992 verstarb. In einem Abschiedsbrief an seine Familie, der nach seinem Tod veröffentlicht wurde, schrieb er verbittert und versöhnlich zugleich: “Ich habe mehr über Liebe, Selbstlosigkeit und menschliches Verstehen gelernt von jenen, die ich in der Welt von Aids getroffen habe, als in der halsabschneiderischen, von Konkurrenz geprägten Welt, in der ich mein Leben verbrachte.“ (dapd)