Heidelberg. Der Schluckauf hat bei Erwachsenen keinen Sinn mehr. Trotzdem hicksen viele Menschen. Luftanhalten und andere Hausmittel helfen. Bei chronischen Beschwerden geben Spezialisten Rat.

Schwangere spüren es: Das Kind im Bauch hat von Zeit zu Zeit Schluckauf. „Vor der Geburt hickst der Mensch am meisten“, sagt Jens Keßler von der Uniklinik Heidelberg. Der Quietschlaut kommt genau 35 Millisekunden, nachdem sich das Zwerchfell abgeflacht hat und Luft in die Lungen geströmt ist. Ein Reflex verschließt die Stimmritze.

„Der Kehlkopf klappt die Luftröhre zu“, beschreibt Professor Gereon Fink von der Neurologischen Klinik der Uniklinik Köln. Er nimmt an, dass der Schluckauf Ungeborene und Säuglinge davor schützt, dass Flüssigkeit „in den falschen Hals“ gelangt. Andere Mediziner wie der Anästhesist Keßler vermuten, dass der Reflex die Atemmuskulatur der Kleinsten trainiert. Für Erwachsene jedenfalls besitzt der Schluckauf keine Funktion, darüber ist sich die Wissenschaft einig. „Ein motorisches Programm wird abgerufen, das wir gar nicht mehr brauchen.“ Trotzdem hicksen die meisten Menschen gelegentlich.

Warum Betrunkene hicksen

Dabei ist häufig der Zwerchfellnerv gereizt. Er verbindet das Zwerchfell mit dem Gehirn. Ein übervoller Magen, manchmal in Kombination mit Aufregung oder Stress, bringt den Nerv in Wallung und löst den Hicks-Reflex aus. Das geschieht meist, weil zu schnell oder zu viel gegessen wurde. Auch sehr kalte oder heiße Nahrung kann den Magen aufblähen, ebenso wie stark kohlensäurehaltige Getränke oder Alkohol. Deshalb hicksen Betrunkene in Witzen stets. Empfindliche Menschen, die öfter an Schluckauf leiden, sollten zur Vorbeugung kleinere Portionen essen und kohlensäurehaltige Getränke meiden.

Doch was hilft, wenn der Schluckauf plötzlich kommt? Der Mediziner Fink urteilt: „Die 1000 Hausmittel machen Sinn, wenn sie die Atmung beeinflussen. Man kann eine Minute die Luft anhalten oder in einem Zug ein Glas Wasser trinken.“ Oder der Schluckauf-Geplagte atmet in eine Tüte aus und ein. Dadurch entsteht ein leichter Sauerstoffmangel im Blut, und der Körper stellt das Zwerchfell ruhig.„Atmen ist wichtiger als essen“, sagt Fink. Doch aus eigener Erfahrung weiß er: „Was dem einen hilft, ist bei anderen wirkungslos.“ Betroffene könnten auch versuchen, Nervenregionen, die mit dem Nervenkreislauf zusammenhängen, zu „kitzeln“. Fink gibt den Tipp, am hinteren Halsmuskel zu zupfen oder an der herausgestreckten Zunge zu ziehen.

Ablenkungsmanöver können helfen

Helfen können auch Ablenkungsmanöver, ganz besonders bei Kindern. Keßler empfiehlt zu fragen: „Was hast du letzte Woche Dienstag gegessen?“ Oder zu versuchen, von der gegenüberliegenden Seite eines Glases zu trinken. Meistens kann man auch auf Zeit spielen – plötzlich ist der Hicks verschwunden.

Doch es gibt Patienten, bei denen der Schluckauf stunden- oder wochenlang anhält. Zu 90 Prozent sind dies Männer. Manche können über Tage und Nächte hinweg nicht mehr essen oder durchschlafen. Dann wird die Krankheit bedrohlich, Betroffene werden depressiv, manche sind sogar selbstmordgefährdet.

Wenn der Schluckauf über Monate immer wiederkehrt und als quälend empfunden wird, etwa weil der Bauch schmerzt, dann sollte man zum Arzt gehen, sagt Gereon Fink. Weil die Beschwerden am häufigsten vom Magen oder der Speiseröhre ausgehen, empfiehlt er, zuerst zu einem Internisten zu gehen.

Patienten werden oft nicht ernst genommen

Zu Keßler ins Schmerzzentrum der Heidelberger Klinik für Anästhesiologie kommen viele Menschen, die schon lange nach Hilfe suchen: „Diese Patienten werden von den Ärzten oft nicht ernst genommen“, sagt Keßler. In der Heidelberger Klinik landen jedes Jahr 70 bis 80 chronische Fälle. Dort können sich ratlose Ärzte und Patienten auch telefonisch beraten lassen. Auslöser bei den Dauergeplagten ist häufig eine Magenschleimhaut-Entzündung oder eine Störung entlang des Zwerchfell-Nervs.In langjähriger Praxis stieß Keßler auf weitere Ursachen: Eine beginnende Multiple Sklerose, einen Schlaganfall im Hirnstamm, eine vergrößerte Schilddrüse, Tumore oder einen früheren Herzinfarkt. Zunächst wollen die Mediziner eine körperliche Ursache wie eine Magenschleimhaut-Entzündung aufspüren. Zudem beinhaltet das „multimodale Konzept“ der Uniklinik Heidelberg auch Entspannungsübungen, Verhaltenstraining oder Psychopharmaka.

Nicht immer lässt sich jedoch eine Ursache finden. Dann konzentriert sich der Anästhesist Keßler auf den Reflex. Er versucht, ihn mit Muskelentspannung, Akupunktur oder Anti-Epileptika auszuschalten. Als letztes Mittel blockiert er den verantwortlichen Nerv mit lokalen Betäubungsmitteln. Damit endlich Ruhe einkehrt.