Berlin. Hans-Christian Schmid ist erfolgreicher Regisseur - allerdings fürs Kino. Vom Fernsehen hält der Macher erfolgreicher Filme wie “Crazy“, “Requiem“ oder “Nach 5 im Urwald“ allerdings nicht viel - das Program sei geradezu publikumsverachtend.

Ob die Bestellerverfilmung "Crazy", die authentische Geschichte eines Exorzismus in "Requiem" oder die Komödie "Nach 5 im Urwald", der Berliner Regisseur Hans-Christan Schmid beleuchtet das Thema Familie immer wieder aus den unterschiedlichsten Perspektiven. In seinem neuen Film "Was bleibt" (Kinostart: 6. September), hochkarätig unter anderem mit Lars Eidinger, Corinna Harfouch und Ernst Stötzner besetzt, brechen während eines Wochenende im Kreis der Familie verborgene Geheimnisse und lange zurückgehaltene Konflikte auf. dapd-Korrespondent Axel Schock hat sich mit Schmid unterhalten.

Ihre Geschichte beginnt damit, dass der in Berlin lebende Sohn Marko, gespielt von Lars Eidinger, seine Eltern besucht.

Hans-Christian Schmid: Solche Heimfahrwochenenden kennt jeder. Sie fallen uns allen schwer, und bei fast allen gibt es irgendwann den Punkt, an dem man am Liebsten schnellstmöglich wieder zurückfahren möchte - weil man sich streitet und merkt, dass man nicht mehr so gut miteinander auskommt wie vielleicht früher einmal.

Andere Filmemacher hätten eine solche Geschichte womöglich mit einem großen Paukenschlag erzählt. Bei Ihnen entwickelt sich das Drama hingegen eher schleichend.

Schmid: Wenn es zu Krisen in einer Familie kommt, gibt es meiner Erfahrung nach nicht die eine, große Offenbarung, wie beispielsweise in Thomas Vinterbergs "Das Fest", sondern die Wahrheit kommt scheibchenweise auf den Tisch. Das hat eher etwas von einem Schwelbrand, aber es gibt auch ein paar entscheidende Ereignisse, die die Geschichte ins Rollen bringen: der Vater Günter hat seinen Verlag verkauft und die Mutter Gitte verkündet, dass sie ihre Psychopharmaka absetzt hat und sich gesund fühlt.

Manch entscheidende Details und Zusammenhänge erfährt der Zuschauer bisweilen ganz beiläufig.

Schmid: Ich mag es, Geschichten eher indirekt und elliptisch zu erzählen und in Dialogen vielleicht nur anzudeuten, was passiert ist. Als Kinobesucher finde ich es interessanter, wenn ich immer nur soviel erfahre, dass ich mir selbst zusammenreimen kann, was passiert ist und ich nicht alles immer überdeutlich gezeigt und erklärt bekomme.

"Es gibt auch interessante Nischen"

Ist das auch ein Grund, warum Sie bislang nicht fürs Fernsehen gearbeitet haben?

Schmid: Was man manchmal um 20.00 Uhr im Fernsehen geboten bekommt, ist so seicht und letztlich publikumsverachtend, dass ich gar nicht glauben kann, dass das jemand sehen will. So etwas interessiert mich tatsächlich nicht und deshalb halte ich mich davon auch fern. Es gibt beim Fernsehen allerdings durchaus auch interessante Nischen, das hängt von der jeweiligen Redaktion und vom Sendeplatz ab.

Welche Vorzüge bietet für Sie das Arbeiten für die Leinwand noch?

Schmid: Ich finde Kino vor allem deshalb so interessant, weil es, oft anders als beim Fernsehen, eine bewusste Entscheidung des Zuschauers ist, sich genau diesen Film anzuschauen. Der Fernsehzuschauer holt sich zwischendurch ein Bier aus dem Kühlschrank oder telefoniert und will dann immer noch verstehen, um was es geht. Und so sind die meisten Geschichten dann auch erzählt. Das Kino hat auch technisch bessere Möglichkeiten: ein abgedunkelter Raum, eine große Leinwand, der Ton. Mir steht außerdem mehr Drehzeit als beim Fernsehen zur Verfügung, bei der Arbeit wird größere Sorgfalt an den Tag gelegt und ich kann freier und radikaler erzählen. (dapd)