Methler. .

Erst sind es nur ein paar blasse Thermometer. Dann werden sie immer mehr und satter in der Farbe. Besonders in den letzten Jahrzehnten häufen sich die Sommertage, an denen die Temperatur über 30 Grad kletterte. Wenige Meter entfernt steht die Zukunft und dort wird es noch viel bunter. Hier blühen den Betrachtern ab 2021 fast jedes Jahr mehr als zehn brütend heiße Tage in grellen Farben.

Der Temperatur-Wald ist auf Stöcken direkt neben der renaturierten Seseke aufgestellt. Das „Jetzt“ im steinernen Kunstwerk von Christian Hasucha erscheint daneben eher wie ein Mahnmal.

Das Klimagespräch, zu dem der Lippeverband, das Projekt „dynaklim“ des Forschungsinstituts für Wasser- und Abfallwirtschaft der RWTH Aachen zum zweiten Mal eingeladen hat, eröffnet auf ungewöhnliche Weise den Blick auf den Klimawandel. Auf Kamener Boden sollte am Fluss das Gespräch mit allen, die mit seiner Veränderung und Entwicklung zu tun haben, in Fluss kommen. Schließlich ist die Seseke auch ein Gewässer, das die Veränderungen des Klimas widerspiegelt.

Veränderungen, „für die wir die Mittel, damit umzugehen, selbst in der Hand haben“, formulierte es Martina Nies vom Netzwerk- und Forschungsprojekt „dynaklim“. Deshalb wurden Stadtplaner, Kulturbeauftragte, Stadtführer, Politiker und Wissenschaftler eingeladen, „um neue Themen zu spinnen, die am Fluss realisiert werden können“. Und um darüber zu reden, was auf den Fluss und auf die Gesellschaft zukommt.

Regenmengen sind gleich geblieben

Die meisten Teilnehmer hatten den Eindruck, dass es mehr Gewitter im Sommer gibt, dass es nachts weniger abkühlt und dass die Starkregen zugenommen haben. Manfred Böse von den Stadtführern weiß aus den Chroniken von heftigen Überschwemmungen, die es schon in der Vergangenheit immer wieder an der Seseke gegeben hat. „Tatsächlich sind die Regenmengen insgesamt nicht mehr geworden“, schildert Klimaexperte Markus Quirmbach. Die kleineren Starkregen nehmen zu. Starke Schwankungen der Mittelwerte gab es schon immer.

Verändert hat sich vieles an der Seseke – weniger durch den Klima- als durch den industriellen Wandel. Manfred Böse weiß noch, „wie die Kinder mit Körben zu den Tümpeln in den Wiesen geschickt wurden, um Fische zu fangen“. Er hat in den Chroniken sogar Fischrechte, verkauft vom Bürgermeister , und Prämien für das Erschlagen von Fischottern gefunden.

Manfred Wiedemann weiß noch, wie er mit dem Vater regelmäßig am kanalisierten Fluss Löwenzahn für die hauseigenen Karnickel sammelte. Eines Tages kam der Vater statt mit Grünzeug mit einem aus dem Kanal geretteten Dackel zurück. „Den behielten wir bis ans Ende seines Lebens.“

Overberges Ortsheimatpflegerin Helga Böinghoff hat an den steilen Hängen des Flusses als Kind noch Heu gewendet. Und früher gab es gar ein Schwimmbad an der Seseke, in dem die Frauen keusch mit Karren zu Wasser gelassen wurden.

Überschwemmungen vor 100 Jahren

In den Hütten, die am Samstag an den Ufern der Seseke aufgeschlagen waren, fanden sich die Vergangenheit und Gegenwart in den Jahren 1912 und 2012 direkt nebeneinander. Hier ergab plötzlich Sinn, was die Gäste zur Begrüßung leicht überrascht in die Hand gedrückt bekamen. Vernichteten Flussüberschwemmungen vor 100 Jahren noch vor allem Kartoffeln und Eingemachtes in den Kellern, werden heute deutlich höhere Werte zerstört – von Spielzeug-Sammlungen über Modell-Eisenbahnen bis zur Computer-Sammlung und zum Kühlschrank.

Auch so kann sich der Klimawandel auswirken.

INFO

Das dritte Klimagespräch findet am Freitag, 14. September, ebenfalls in Kamen statt. Von 16 bis 18.30 Uhr ist das Kunstwerk „Pixelröhre“ das Ziel, um über Wasser in allen Facetten ins Gespräch zu kommen.

Das Kunstwerk „Jetzt“ machte auch am Samstag seinem Namen alle Ehre: Während die Gesprächsteilnehmer das Klima der Vergangenheit und Zukunft reflektierten, hielten sich unzählige Radfahrer in den Buchstaben im Hier und Jetzt fest – genau so, wie es vom Künstler ursprünglich gedacht war.