Lünen. .

Dass Sylvia Reinartz einmal vor dem Altar stehen und einen Gottesdienst halten würde, daran hatte sie nie gedacht. Sie habe als Kind zwar schon immer einen engen Bezug zur Kirche gehabt, ihre Berufswahl ging jedoch in eine andere Richtung. Sie wurde Religionslehrerin, unterrichtet Grundschüler, gestaltet seit über 20 Jahren den Schulgottesdienst. Irgendwann sei sie gefragt worden, ob sie nicht aktiver in der Kirche mitwirken möchte. Erst dann habe sie sich darüber Gedanken gemacht und so sei es gekommen, dass sie in der St.-Georg-Kirche am Sonntag ganz vorne stehen wird. Nicht als Pastorin, sondern als Prädikantin.

„Prädikant bedeutet übersetzt Prediger“, erklärt Pastorin Anja Bunkus. Früher habe man Laienprediger zu den Menschen gesagt, die ehrenamtlich Gottesdienste halten. Doch diese Bezeichnung habe für Außenstehende ein wenig herabwürdigend geklungen, so sei die Namensänderung zustande gekommen. An den Aufgaben und der hohen Wertschätzung in den Gemeinden habe sie nichts geändert. Die Pastorin der Stadtkirche betont, dass Prädikanten vieles übernehmen dürfen. Gottesdienste halten, Seelsorge- und Bildungsarbeit leisten und sogar Trauungen, Taufen und Beerdigungen leiten. Sylvia Reinartz will sich mit den Sakramenten noch zurückhalten, erst einmal Erfahrungen bei den „normalen“ Gottesdiensten sammeln.

„Sie ist ein großer Gewinn für unsere Gemeinde, weil sie die Bibeltexte so lebensnah interpretiert“, sagt Bunkus über Sylvia Reinartz. Reinartz selbst sagt, dass sie eine Brücke zwischen Kirche und alltäglichem Leben schlagen will. Über Dinge reden möchte, die sie selbst beschäftigen und sicherlich auch andere betreffen.

Doch bevor sie ihren ersten eigenen Gottesdienst als Prädikantin halten darf, wird sie am Sonntag vom Superintendenten Winfried Moselewski in ihr Amt berufen. Sie erhält eine Urkunde und den offiziellen Auftrag, Kirchendienste zu leisten. Jedoch nur als Ehrenamt und nicht als Beruf. „Ich kann entscheiden, wie viele Gottesdienste ich mache und wo“, erklärt sie. Bei den Themen ist sie wie alle anderen Pastoren an die Vorgabe der Kirche gebunden. Wie diese aussehen, hat sie in der Ausbildung zur Prädikantin gelernt. Über die Liturgie, was zu den Sakramenten dazu gehört und wie eine Predigt gestaltet werden muss. Zum Abschluss leitete sie einen Probegottesdienst – und traf mit ihrer unkomplizierten Art den Nerv der Gemeinde. Ein Jahr hatte sie auf einen Ausbildungsplatz gewartet. Nicht, weil so viele Menschen aus Lünen Prädikanten werden möchten, „davon gibt es einfach noch zu wenig“, sagt Bunkus. Sondern, weil die Anwärter aus dem Sauer-und Siegerland die Plätze belegten. „In ländlicheren Gebieten gebe es viele Prädikanten“, weiß Bunkus. Sie leisten wertvolle Arbeit, unterstützen das Seelsorgerteam und bringen viel weltliches Leben in den Kirchenalltag. Voraussetzung, um ein Prädikant zu werden, ist es, evangelisch, über 25 Jahre alt und in der Kirchengemeinde involviert zu sein. Das Presbyterium muss diesen Aspiranten dann dem Superintendenten vorschlagen und dieser wiederum eine Bewerbung bei der Landeskirche befürworten. Ein Prädikant kann im gesamten Kirchenkreis eingesetzt werden. Die Berufung erlischt, wenn der Prädikant in ein anderes Bundesland zieht. Prädikanten gibt es übrigens nur bei der Evangelischen Kirche.