Werdohl. .
Mit der Geste der Gelassenheit kommentiert der Hodscha das Urteil. „Das wird nichts daran ändern, dass wir daran glauben“, sagt Abdullah Özmen. Rituelle Beschneidungen hat das Landgericht Köln vor einigen Wochen als strafbare Körperverletzung bewertet. Doch den Imam wühlt das nicht auf: Er ist sich sicher, dass es bald ein Gesetz geben werde, das den Ritus ausdrücklich erlaubt.
Der Vorbeter der Ditib-Moscheegemeinde hört sich aufmerksam die Fragen an, lächelt oder zieht auch mal die Stirn kraus, lässt sich alles ins Türkische übersetzen und beeindruckt mit einer unaufgeregten Haltung. Die Beschneidung, das Entfernen der Vorhaut bereits im Säuglingsalter, habe im Islam eine zentrale Bedeutung, erklärt der Religionsgelehrte der Eyüp-Sultan-Moschee an der Freiheitstraße.
Man könne sie mit der Taufe in der christlichen Kirche vergleichen. Sie zeige in der islamischen Welt, dass der Junge zum Mann geworden ist, sei ein Zeichen dafür, dass er Moslem geworden ist. Auf Abraham, der bei den Moslems Ibrahim, „der Auserwählte“, heißt und einer der wichtigsten Propheten ist, gehe der Brauch zurück. Mohammed, der letzte Prophet, habe all’ das, was die vorhergehenden Propheten, in deren Reihe ja auch Jesus Christus gehöre, als Geschenk überlassen haben, den Gläubigen empfohlen.
Wie sehr die Beschneidung mit dem Selbstverständnis der Moslems zu tun hat, zeigt sich in den Worten von Selattin Alptekin, ein Werdohler Moslem, der das Gespräch dolmetscht. „So bin ich groß geworden, es ist ein Teil von mir – es gehört zu meiner Religion“, sagt er und da gebe es gar keinen Zweifel: „Auch mein Sohn wird beschnitten.“
Und: „Moslems würden dafür alles aufgeben.“ Eine Aussage, die den Hodscha strahlen lässt. Er witzelt: „Daran würden aber nur Fluggesellschaften und Ärzte im Ausland verdienen.“ Doch beiden ist es ernst: „Eine religiöse Denkweise kann man nicht durch ein Verbot unterdrücken.“ Man wisse die Menschenrechte in Deutschland sehr zu schätzen und glaube, dass die Deutschen in der Mehrheit anders denken. Das Urteil sei eine einzelne Meinung eines Richters, der die Religionsfreiheit nicht beachtet habe.
Dass der Eingriff, wie oft behauptet, „von Scharlatanen in Hinterhöfen“ vorgenommen werde, sei eine Mär. Vielleicht sei ein neues Gesetz aber auch gar nicht so schlecht und könnte regeln, dass ausnahmslos Fachärzte beschneiden dürfen. Der Hodscha hätte nichts dagegen.
Selattin Alptekin sieht das genau so und kann sich nur ein einziges Mal in dieser Sache ereifern. „Wenn Beschneidung eine Körperverletzung ist, dann dürfen Kinder auch nicht mehr gepierct werden.“
Das Urteil habe man in der Moschee vernommen. Es sei aber „noch nicht darüber gepredigt, noch nicht darüber gesprochen“ worden, sagt Hodscha Özmen. Man vertraue auf ein neues Gesetz: „Die Moslems warten ab, bis das Schlusswort gesprochen ist.“