Berlin. Mit der Dokumentation “Der Sohn mit der Pistole in der Hand“ zeigt RTL einen starken Film über die Familienangehörigen der NSU-Täter. Dabei zeigt er vor allem Menschen, die mit sich hadern.
Uwe Böhnhardts Mutter Brigitte ist die Fassungslosigkeit über die Taten ihres Sohnes anzumerken: Ihr Jüngster soll als Teil des Nationalsozialistischen Untergrunds zehn Morde begangen, Sprengstoffattentate verübt und Banken ausgeraubt haben. "Ich kann ihn mir nicht als eiskalten Mörder vorstellen", sagt sie in der RTL-Dokumentation "Uwe Böhnhardt, der Weg in den Untergrund", die am Sonntag (15.7., 23.25 Uhr) ausgestrahlt wird. "Ich kann ihn mir nicht mit einer Pistole in der Hand vorstellen."
Dabei - und das ist erstaunlich - kommt Brigitte Böhnhardt nicht als naive, blinde Mutter rüber, sondern als Frau, die seit dem Auffliegen der Zwickauer Zelle im November 2011 kaum etwas anderes tun dürfte, als sich mit den Taten ihres Sohnes auseinanderzusetzen. Das ist die Stärke dieses Films von Andreas Kuno Richter: Er zeigt Menschen, die mit sich hadern, weil in ihrer direkten Umgebung Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zu hasserfüllten Terroristen werden konnten.
Zschäpe ein "völlig normales Mädchen"
Anders als die bisher ausgestrahlten Filme zur Zwickauer Terrorzelle in ARD, ZDF und den Dritten ist dies kein Film über skandalöse Behördenversäumnisse oder falsche politische Entscheidungen. Statt dessen hat sich der Autor mit dem Sozialarbeiter Thomas Grund zusammengetan, der in seinem Jenaer Jugendclub schon Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe betreute. Mit fünf Elftklässlern und einer Videokamera gingen die beiden auf die Suche nach möglichen gesellschaftlichen Ursachen für die Radikalisierung des Trios vor Ort. Dem Streetworker ist auch das überraschendste Moment des Films zu verdanken: Er drehte 1991 Bewegtbilder von Zschäpe und Mundlos, die hier zu sehen sind. Beate sei als 16-Jährige ein "völlig normales Mädchen" gewesen, sagt er.
Späte Radikalisierung
Erst als sie Mundlos kennenlernte, habe sie sich radikalisiert. Sie hätte dann immer versucht, "den Jungs ebenbürtig" zu sein, etwa durch Prügeleien in der Stadt. Zwtl.: Schulprobleme und Perspektivlosigkeit Die jugendlichen Laien-Filmemacher sind derweil in der Rolle derjenigen zu sehen, die ganz einfache, mitunter blauäugig wirkende Fragen stellen dürfen. "Ich finde, Sie wirken ja wirklich nett", sagt einer der Jungen zu Brigitte Böhnhardt, als über das Familienleben des späteren Terroristen Uwe gesprochen wird. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Elternhaus so schlecht gewesen sein soll." Die Mutter gibt jedoch zu, dass sie den Uwe nicht nur zu sehr verwöhnt hätte. Sie, selbst Lehrerin, hätte es augenscheinlich nicht vermocht, den "Frust" ihres Sohnes über Schulprobleme und spätere Arbeits- und Perspektivlosigkeit abzubauen.
"Riesengroßes Loch" nach der Wende
Der Film sammelt viele Puzzlestücke, um eine Begründung für den Weg des Trios in den Untergrund zu finden. Die Mutter nennt neben ihren eigenen Erziehungsdefiziten den Zusammenbruch des DDR-Schulsystems. Ein alter Freund der Drei beklagt "ein riesengroßes Loch" nach der Wende, "viele sind in irgendwelche Richtungen abgedriftet". Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, der Jenaer Roland Jahn, spricht darüber, wie das DDR-Regime das Vorhandensein faschistischen Gedankenguts einfach leugnete und damit akzeptierte. "Alle können wir etwas tun, dass wir eine Gesellschaft haben, wo Menschen friedfertig miteinander leben", fordert Jahn für die Zukunft. Das klingt zwar schlicht, aber deutlich bessere Antworten auf den unfassbaren Terror der drei Jenaer waren bislang noch nicht zu hören. (dapd)