Dorsten. .

Die Tische an der Kegelbahn sind bunt geschmückt mit Girlanden und Konfetti, Süßigkeiten, bunten Bechern und Gläsern -- wie für einen Kindergeburtstag. Kerstin Jakob von der Torschänke an der Recklinghäuser Straße hat tatsächlich viele Kinder zu Besuch, obwohl kein Geburtstag gefeiert wird. Ihre Gäste sind Kinder aus der Nähe von Tschernobyl und machen vier Wochen Ferien im Kreis Recklinghausen. Schon seit 1986 organisiert der Verein „Hilfe für Kinder von Tschernobyl“ von Herten aus jedes Jahr diese Ferienmaßnahmen und Kerstin Jakob nimmt seit 15 Jahren jedes Mal Kinder auf.

Fast von Anfang an dabei ist Ingelore Müller. Sie erinnert sich noch genau an die erste Jahre, als immer 50 Kinder nach Deutschland kamen, wo sie vier Wochen Zeit zur Erholung haben. Das Reaktor-Unglück in Tschernobyl liegt inzwischen zwar 26 Jahre zurück, doch das Gebiet ist immer noch radioaktiv verseucht. Ärzte haben festgestellt, dass ein vierwöchiger Aufenthalt in Deutschland das Immunsystem der Kinder stärkt und ihre Lebenserwartung verlängert. Die 25 Zehn- bis 14-Jährigen kommen aus Gomel, der zweitgrößten Stadt in Weißrussland. Nach Weißrussland, rund 70 km entfernt von Tschernobyl, wurden die Familien damals nach der Reaktor-Katastrophe umgesiedelt.

Kerstin Jakob ist selber Mutter von vier Kindern, lebt in Marl und betreibt seit 2008 die Gaststätte in Dorsten. Sie stammt aus der früheren DDR, wo sie wie alle in der Schule auch Russisch gelernt hat. Mit ihren Eltern lebte sie außerdem vier Jahre lang in Moskau. Ihre Sprachkenntnisse waren vor vielen Jahren der Grund, warum sie der Hilfsverein zum Mitmachen aufgefordert hatte. Die Kinder werden von zwei Dolmetscherinnen begleitet, die bei der Verständigung helfen. Ansonsten gibt es Listen mit den wichtigsten russischen Wörtern - oder eben Hände und Füße. Deutsche und russische Kinder untereinander kommen sowieso ohne viele Worte klar.

Kerstin Jakobs Kinder sind zwischen sieben und 26 Jahre alt. Auch ihr erstes Gastkind wurde im Jahr des Reaktor-Unglücks geboren. Noch immer halten die Familien Kontakt zu einander, inzwischen über Facebook. Beide jungen Frauen erwarten ihr erstes Kind, aber in Weißrussland ist die Angst groß, dass es krank zur Welt kommen könnte. Das Reaktor-Unglück wird in Weißrussland tot geschwiegen. Viele der Kinder, die nach Deutschland kommen, wissen gar nicht warum. Die Strahlenbelastung und ihre Folgen für die Bevölkerung sind kein öffentliches Thema.

In ihren vier Wochen in Deutschland unternehmen die Kinder viel gemeinsam. Nach dem Essen in der Torschänke sind sie zum Wildgehege Frankenhof gefahren, auch das CopaCaBackum, Schloss Beck und ein Tennistraining stehen auf ihrem Programm.