Lünen. . Häusliche Gewalt kann jeden treffen. Und es ist vor allem eins – kein privates Problem. „Seit vor zehn Jahren das Gewaltschutzgesetz in Kraft getreten ist, trauen sich immer mehr Frauen, über das Erlebte zu reden, die Täter anzuzeigen, auch wenn es ihre Ehemänner oder Familienangehörigen sind“, weiß Gleichstellungsbeauftragte Gabriele Schiek.

Häusliche Gewalt kann jeden treffen. Und es ist vor allem eins – kein privates Problem. „Seit vor zehn Jahren das Gewaltschutzgesetz in Kraft getreten ist, trauen sich immer mehr Frauen, über das Erlebte zu reden, die Täter anzuzeigen, auch wenn es ihre Ehemänner oder Familienangehörigen sind“, weiß Gleichstellungsbeauftragte Gabriele Schiek. Im vergangenen Jahr hätten 55 Frauen ihren Rat zu allgemeinen Problemen im Lüner Frauenbüro gesucht, acht von ihnen haben Zuflucht im Frauenhaus gefunden. In 2010 waren es nur drei.

Dass die Zahl der Opfer in den letzten Jahren gestiegen ist, habe nichts damit zu tun, dass die Gewalt zunehme, betont Schiek. Es hänge eher damit zusammen, dass sich mehr Frauen trauen, sich zu öffnen, und Unterstützung anzunehmen. Doch noch immer passieren viel zu viele Taten im Verborgenen. Für Schiek (Foto) gilt: „Jegliche Form von Gewalt ist nicht akzeptabel und ein Straftatbestand.“

Noch vor dem Gewaltschutzgesetz seien Konflikte hinter den eigenen vier Wänden nicht selten von der Öffentlichkeit bagatellisiert, eher als private Angelegenheit angesehen worden. Dies habe Hemmungen aufgebaut, Angst und Scheu. Doch seit vor zehn Jahren die Rechte der Opfer per Gesetz gestärkt worden sind, kämen immer mehr Fälle zur Anzeige. In 2011 wurden in Lünen 90 Einsätze aufgrund häuslicher Gewalt von der Polizei gezählt, achtmal wurde ein Wohnungsverweis ausgesprochen

90 Polizeieinsätze in Lünen

.Fast immer seien es Frauen, die von ihrem Partner, Ehemann oder Ex misshandelt werden, weiß Schiek, aber auch im Angehörigenbereich geschehe viel Unrecht. Eltern, die ihre Kinder schlagen, familiäre Unzufriedenheit, die durch Gewalt ausgedrückt wird. Auffällig sei, so die Frauenbeauftragte, dass die Zahl der misshandelten Frauen, die eine geistige oder körperliche Behinderung haben, überdurchschnittlich hoch sei. Für Schiek ist es wichtig, dass jede Frau selbstbestimmt leben kann. Deshalb fallen auch Frauen, die von einer Zwangsheirat bedroht sind, in die Kategorie derjenigen, die Opfer von häuslicher Gewalt sind. Gabriele Schiek rät Betroffenen, Kontakt zum Frauenbüro zu suchen.

„Wir geben Hilfestellungen, beraten darüber, welche Möglichkeiten bestehen und treten als Vermittler auf.“ Während die Beratungsstelle im Lüner Rathaus von 8 bis 16 Uhr besetzt ist, ist der Frauennotruf vom Kreis Unna rund um die Uhr erreichbar. Auch das Frauenhaus nimmt zu jeder Tages- oder Nachtzeit Frauen und ihre Kinder auf, die schnell und unbürokratisch Hilfe benötigen.

„Ganz entscheidend ist der wirtschaftliche Faktor“, weiß Gabriele Schiek. Frauen, die beruflich im Leben stehen und finanziell unabhängig sind, hätten meist mehr Möglichkeiten Hilfe im privaten Umfeld zu finden, würden oftmals auch schneller reagieren.

Für Frauen, die ein geringeres Bildungsniveau haben und dadurch auch meist wenig bis gar nichts verdienen, sei das Frauenhaus oft die einzige Möglichkeit, schnell von ihrem Mann wegzukommen. „Viele halten es auch zu lange bei ihrem gewaltbereiten Partner aus, weil sie sich finanziell abhängig fühlen, Angst vor der Trennung haben.“

Kampf um die Kinder

Doch Gabriele Schiek erklärt ihnen in den Beratungen, dass es immer Alternativen gebe, zeigt diese auf und erklärt, wo finanzielle Unterstützung beantragt werden kann und hilft beim Ausfüllen der Formulare. Hartz IV stehe ihnen zu. Wenn kleine Kinder im Spiel sind, Geld vom Jugendamt. Auch für die Wohnungs- und Jobsuche gibt es Tipps.

Gabriele Schiek rät auch immer, einen Anwalt einzuschalten. Wer kein Geld hat, kann Prozesskostenhilfe beantragen. „Etwas, was ich oft erlebt habe, ist, dass plötzlich das Konto leergeräumt wurde.“ Ein harter Kampf um die Kinder beginne, oder psychischer Druck werde aufgebaut.

Laut einer repräsentativen Studie des Bundesministeriums für Familie von 2010 hat jede vierte Frau, mindestens einmal Gewalt in der Partnerschaft erlebt, so Schiek. „Leider reden noch immer zu wenige über das, was sie erlebt haben. Aus Unwissenheit über die rechtliche Lage, welche Möglichkeiten sie haben, aus Angst und falschem Schamgefühl heraus. Es gibt zahlreiche Hilfsangebote, niemand muss alleine die Sache durchstehen.“