Unna. .

„Preissenker“ steht auf dem großen, knallroten Button, den Renate Börsteken tapfer gemäß der Weisung aus der Firmenzentrale an ihren weißen Kittel gesteckt hat. Das hat etwas tragisches, denn die ebenso knallroten, großen „30% auf alles“-Hinweisschilder überall in „ihrer“ Filiale an der Berliner Allee bedeuten, dass die 59-Jährige quasi ihren eigenen Job mit abwickelt. Der Ausverkauf bei Schlecker hat begonnen.

Möglichst viel Kasse machen für die Gläubiger des verschuldeten Pleite-Unternehmens ist jetzt noch die Aufgabe der Preissenkerinnen. Denn am Monatsende ist Schluss – in Unna und den bundesweit 2 800 Filialen der Drogeriekette.

Lange Schlangen der Rabattjäger

„Das ist schon sehr demotivierend – hier die Kunden in langer Schlange stehen zu haben und zu wissen, dass man keine Zukunft bei Schlecker hat“, sagt Renate Börsteken. Der Ausverkauf hat den Laden so voll gemacht wie nie. An zwei Kassen reichen die Schlangen der anstehenden Rabattjäger bis zur hintersten Regalwand.

Mit dem Ausverkauf hat sich auch die letzte Hoffnung der Mitarbeiterinnen zerschlagen, dass es doch noch irgendwie weitergeht, sich ein Käufer findet, der die Drogeriekette samt Personal weiterführt. „Seit 24 Jahren arbeite ich bei Schlecker“, erzählt Renate Börsteken weiter. Eigentlich in Hemmerde, doch die Filiale hat bereits wie die in der Innenstadt an der Wasserstraße beim ersten Schwingen der Insolvenz-Axt im März dichtgemacht. Immerhin verlor sie da noch nicht wie 11 190 andere bei Schlecker ihren Job, konnte zur Berliner Allee wechseln.

„Ich find’ das echt traurig“, sagt Brigitte Miklis. Seit die Filiale in der kleinen Einkaufspassage im Schatten der Hochhäuser neben dem Supermarkt, gegenüber dem Frisör, der Apotheke und der Sparkasse vor neun Jahren geöffnet habe, sei sie Stammkundin. „Schlecker ist für mich mehr als ein Drogeriemarkt“, sagt die Anwohnerin, „das ist so was wie ein Treffpunkt, wo man Nachbarn begegnet und sich auch mit den Mitarbeiterinnen unterhält.“ Die seien immer nett und freundlich, „für sie tut es mir besonders leid“.

Die Stammkunden stehen in einer kleinen Gruppe vor dem Geschäft, diskutieren. Darunter Andrea Stathakis. Der Wirt betreibt die Kneipe „Der Grieche“ genau gegenüber vom Schlecker-Markt. „Ein Schock für mich“, sagt er. „Immer wenn plötzlich was fehlte wie Spülmittel, Alufolie oder Kerzen, konnte ich schnell mal auch bei offener Kneipe rüberspringen und bei Schlecker nachkaufen.“

Wechselbad der Gefühle

Das Angebot direkt um die Ecke, für den kleinen Einkauf der Dinge im Haushalt rund um die Hygiene hat Schlecker groß gemacht. Jetzt geht das große Schrumpfen weiter. Natürlich hätten auch sie und ihre Kolleginnen auf eine Rettung gehofft, sagt Martina van den Akker. „Dieses Wechselbad der Gefühle haben wir jetzt hinter uns und ich hab’ die Nase gestrichen voll.“ Die 49-Jährige kassiert in der Schlecker Filiale am Kastanienhof im Akkord, denn auch hier haben sich lange Schlangen (wie in der 3. Filiale am Massener Hellweg) gebildet. „Wir geben hier noch mal alles und wissen, es ist für nichts.“ Mit den Kolleginnen warte sie auf die Kündigung. „Wir alten Hasen treffen uns dann bald wieder – auf dem Arbeitsamt“, dort hätten sich alle bereits arbeitssuchend gemeldet.

Eine kleine Zukunftsperspektive scheint sich indes an der Berliner Allee aufzutun, im Supermarkt direkt neben Schlecker. „Wir werden jetzt im Sinne unserer Kunden unser Sortiment auf Artikel ausweiten, die bislang nebenan angeboten werden“, sagt Maxi Markt Chefin Aynur Atesli. Zudem führe sie Gespräche mit dem Besitzer der Immobilie, um den Maxi Markt auf die Schlecker-Fläche auszuweiten. „Wir können dann natürlich nicht alle der Mitarbeiterinnen von dort übernehmen, aber vielleicht ein oder zwei auf 400-Euro-Basis.“

„Wir danken für die langjährige Treue“ ist nebenan auf knallrotem Grund an der Schlecker-Eingangstür zu lesen. Gemeint sind die Kunden, nicht die fleißigen Preissenkerinnen an der Kasse...