Unna. .

Erschreckend, welchen kuriosen Weg die Unnaer Jugendhilfe jetzt beschreiten muss, um einen sexuell auffälligen 13-Jährigen vor sich selbst und andere Kinder vor Übergriffen zu schützen: Damit der Junge unter ständiger Kontrolle ist, lebt er jetzt in einem Kloster in Süddeutschland – Kosten pro Tag: 507 Euro.

Ein Kind, allein unter Mönchen. Eins-zu-eins betreut von einem Geistlichen mit psychologischem Fachwissen. Eine Notlösung, „weil wir keinen geeigneten Platz in einer geschlossenen Einrichtung finden konnten“, berichtet Jugenddezernent Uwe Kutter jetzt dem Jugendhilfeausschuss. Deutschlandweit sei gesucht worden. Was folgte war Absage nach Absage, lediglich aus München wurde gemeldet, dass eventuell im kommenden Jahr ein Platz frei werde.

Den Gang ins geschlossene Kloster wählte Unna schließlich als nötigen Sonderweg, um die Gefahr einer Missbrauchstat einzudämmen. „Da der 13-Jährige als hochexplosiv und gewaltbereit eingeschätzt wird“, sagt der Leiter der Sozialen Dienste, Thomas Köster.

Aus einer total verkorksten, gewalttätigen Familie mit mehreren Kindern wurde der verhaltensauffällige Junge schon vor einigen Jahren vom Unnaer Jugendamt herausgeholt. Die Unterbringung in diversen Heimen folgte. „Er ist eigentlich ein Opfertyp, eher klein und schmächtig für sein Alter“, beschreiben ihn die Experten vom Jugendamt.

Kaum Kontrolle über Sexualtrieb

Es habe einige Zeit gedauert, bis die Betreuer dahinter gekommen seien, dass der Junge einerseits von gleichaltrigen oder kaum älteren missbraucht wurde, andererseits aber zugleich kaum Kontrolle über den eigenen Sexualtrieb hat und so ohne Schuldgefühle auch zum gewaltbereiten Täter gegenüber Schwächeren wurde. Als Folge wird die geschlossene Unterbringung angeordnet.

Die aus der Not geborene Therapie in der Klosterzelle belege, „dass unser System der Jugendhilfe überfordert ist, sobald es um seelische Störungen mit krankhaften Zügen geht, die eine spezielle Unterbringung erfordern“, sagt Thomas Köster. Deutschlandweit gibt es laut Deutschem Jugendinstitut nur 375 Plätze in geschlossenen Einrichtungen für psychisch kranke Jungen und Mädchen.

Diese intensivste Form der Heimunterbringung ist entsprechend teuer und muss von der Stadt getragen werden, in der die Familie des Kindes lebt. „Die Unterbringung im Kloster ist dabei unser absoluter Spitzenreiter“, sagt Uwe Kutter, „sie kostet 507 Euro pro Tag.“ Nur einer von vielen Posten der so genannten „Hilfen zur Erziehung“, die das Sozialbudget der Stadt zunehmend belasten. Und die belegen, dass „Eltern immer öfter mit der Erziehung überfordert sind“. So dass die kostengünstigere ambulante Hilfe in der Familie nicht ausreicht und Heimunterbringung nötig wird.

Zurzeit erhalten 196 Unnaer Kinder und Jugendliche stationäre Hilfen, 62 sind in Heimen untergebracht. Jeder Heimplatz kostet die Stadt monatlich 4 000 Euro.