Dorsten. .

Sechs Notarztwagen für Babys – teure Spezialgefährte – hat Herbert Wiethoff in 35 Jahren als unermüdlicher Spendensammler und Werber für die Björn-Steiger-Stiftung auf die Straße gebracht, allein dafür wohl anderthalb Millionen Euro mobilisiert. Jetzt sei es Zeit, die Aufgabe an den Nagel zu hängen, findet er. Zeit auch, zurückzuschauen auf ein Lebenswerk. Er lässt das Wort nachklingen und lächelt fein. „Das”, sagt er, „ist wohl der richtige Ausdruck dafür.”

Ein Lebenswerk auch darum, weil ihm das Thema nicht einfach so zugewachsen ist. Sondern weil es ein Stück ist im Leben seiner Familie: 1975 starb Herbert Wiethoffs Sohn Jochen kurz nach der Geburt.

Eine „Übersäuerung des Blutes” habe es damals nötig gemacht, das Neugeborene in die Kinderklinik Datteln zu verlegen. Wie die Fahrt dorthin aussah, hat Wiethoff erst Jahre später erfahren: Ein alter Krankenwagen mit Lkw-Federung. Das Kind in einer Reisetasche, kein Arzt im Wagen und keine Krankenschwester. Aus Datteln wurde das Kind noch mit einem Hubschrauber nach Düsseldorf geflogen. Vergebens. Jochen starb. Als kleines Kind. So, wie auch zwei Neffen von Herbert Wiethoff.

Ob Jochen mit den heutigen Möglichkeiten überlebt hätte? Spekulation. Doch dass Retter in einem Notfall ganz offensichtlich nicht angemessen handeln konnten: Das ließ Wiethoff nicht ruhen.

Wenig später lernte er in Süddeutschland einen Autokonstrukteur kennen, freiberuflich tätig für VW und Mercedes. „Der konnte sich wunderbar in das Thema ‘reindenken. Zusammen haben wir ein bisschen aufs Reißbrett gebracht”, erzählt der Dorstener. Und so den ersten Notarztwagen entworfen, der den Bedürfnissen von Kleinst- und Kleinkindern entsprach.

Wiethoff trommelte zum ersten mal. „Man muss betteln. Immer dranbleiben. Und ruhig lästig werden. Irgendwann klappt es dann”, sagt er. VW Enning schenkte der Initiative das Fahrzeug (ein VW Typ 2), Spenden finanzierten den Umbau zur „fahrenden Intensivstation” für Säuglinge. Mit einem besonders gefederten Inkubator (Wiethoff: „das ist das Herzstück“), quer zur Fahrtrichtung eingebaut, um Fliehkräfte während der Fahrt abzumildern.

Im September 1979 konnte er den ersten Babynotarztwagen an die Kinderklinik in Datteln übergeben, zuständig für die Kreise Borken und Coesfeld, für die Emscher-Lippe-Region mit Kreis RE, Bottrop und Gelsenkirchen. Zwei Stunden nach der Einsegnung schon die Jungfernfahrt. Ein Mädchen in Herne, früh geboren, 900 Gramm schwer. Schon vor der Entbindung hatten die Ärzte gesagt, das Kind würde tot zur Welt kommen oder schwerstbehindert. Das Kind heißt Kerstin Radermacher. Hat Abitur gemacht (Durchschnitt 1,2), Architektur studiert und macht sich gerade in Süddeutschland selbstständig. Er sei ihr Ehrenpate, erzählt Wiethoff. Der damalige Chef der Kinderklinik sagte, der Wagen sei „ein Geschenk des Himmels”.

So ein Rettungswagen hält zehn Jahre. 1988 hatte Wiethoff das Geld für den zweiten beisammen, 1997 für den dritten. 1999 wurden außerdem die Notarztwagen vier und fünf in Münster und Gelsenkirchen stationiert.

Der dritte Wagen, der von 1997 für den Kreis RE, verunglücke 2002 auf einer Fahrt von Marl nach Datteln. „Machen Sie’s noch einmal?”, wurde Wiethoff gefragt. Er machte. Trommelte, bettelte, wurde lästig, ging mit seinem Anliegen ins Fernsehen (u.a. Sendeformat „37°” im ZDF) und blieb dran. 450 000 Euro hat der Rettungswagen der jüngsten Generation gekostet. Wiethoff bekam das Geld zusammen. Im März war der Wagen fertig und konnte übergeben werden.

Die ersten drei Notarztwagen im Kreis haben von 1979 bis zum tragischen Unfall über 20 000 Fahrten absolviert, 50 bis 60 pro Jahr allein aus Dorsten. „Die Rettungsfahrten haben wohl tausende Kleinst- und Kleinkinder vor dem Tod oder Spätschäden bewahrt“, schätzt Wiethoff. Um die 50 dieser Kinder hat er im Laufe der Jahre kennen gelernt.

Dass diese besonderen Fahrzeuge bis heute nicht zum Standard von Rettungswachen gehören und nur durch Spenden zu finanzieren sind, versteht der alt gediente Feuerwehrmann (1956 in den Löschzug Hervest 1 eingetreten) bis heute nicht. Gespräche mit Politikern, Behörden, Würdenträgern hat er viele geführt. Doch öffentliches Geld für dieses Anliegen? Herbert Wiethoff: „Versprochen hat man mir in all den Jahren viel. Gekommen ist nie etwas . . .” Verlassen konnte er sich indes immer auf die vielen Spender.