Rees.. Schüler wollen nicht der Schule fern bleiben, sie wollen wieder integriert werden. Sagt die Reeser Schulsozialarbeiterin Petra Schehbusch-Wingerath.
Regina ist psychisch krank und alleinerziehend. Für ihre beiden Kinder ist das eine schwierige Situation. Tochter Gina, 14 Jahre alt, muss den Haushalt weitgehend alleine führen und sich obendrein um ihren kleinen Bruder kümmern. Gina kommt deshalb oft zu spät zur Schule. Als die Mutter auch noch Selbstmordgedanken äußert, ist Gina voller Sorge und Angst, wagt nicht mehr, ihre Mutter allein zu lassen und geht schließlich gar nicht zur Schule.
Für das Fernbleiben gibt es immer einen Grund
„Schulschwänzer gibt es auch in Kleinstädten wie Rees“, wischt Petra Schehbusch-Wingerath die Mär von der heilen Welt in der Provinz vom Tisch. Und noch ein Klischee schiebt sie gleich beiseite. „Schulschwänzer wollen gar nicht – wie viele glauben - der Schule fern bleiben, sie wollen wieder integriert werden“, weiß sie. Denn für das Schuleschwänzen gebe es immer einen Grund. „Und den gilt es aufzuspüren“, sagt die Bocholterin.
Fachliche Schwierigkeiten
Eine der vielen Aufgaben, die zu ihrem beruflichen Alltag gehören. Und ein Problem, das sie beherzt anpackt. „Natürlich hole ich sie zurück“, sagt Petra Schehbusch-Wingerath selbstbewusst. „Bei einigen wenigen klappt das allerdings nicht“, bedauert sie. Eine rechtliche Handhabe hat sie nicht. Es ist Aufgabe der Schule, das Jugendamt zu informieren, was aber erst bei dauerhaftem Fehlen eingeschaltet wird.
Petra Schehbusch-Wingerath ist erste Anlaufstelle. Sie holt den Schwänzer im Park, aus dem Kaufhaus oder zu Hause ab, spricht mit ihm, spricht mit den Eltern, redet mit dem Lehrer und sucht nach den Gründen für das Fernbleiben von der Schule. In schwierigeren Fällen arbeitet sie auch mit dem Jugendamt zusammen.
„Wichtig ist, einen Schulmüden so früh wie möglich zurückzuholen“, sagt die Schulsozialarbeiterin. Denn je länger ein Schüler der Schule fern bleibt, umso schwerer wird die Integration. „Wer länger nicht in der Schule war, läuft zudem Gefahr, fachlich nicht mehr mitzukommen, hält sich schließlich für dumm und damit haben wir ein weiteres Problem“, erklärt sie.
Petra Schehbusch-Wingerath unterscheidet zwischen zwei Arten von Schulschwänzern. Den Aktiven, die der Schule fern bleiben und den Passiven, die zwar zur Schule kommen, aber dem Unterricht nicht folgen. Die erste Gruppe hat meist Probleme mit Schülern oder einem Lehrer – vielfach geht es um Mobbing – die zweite Gruppe hat oft Schwierigkeiten im Elternhaus. „Und weil Schulschwänzer Konflikten aus dem Weg gehen, wollen die Passiven auf gar keinen Fall daheim bleiben, sondern kommen zur Schule“, sagt Petra Schehbusch-Wingerath. Aber dem Unterricht folgen können sie dennoch nicht. „Weil sie – wie im Beispiel Gina – zu sehr von den häuslichen Problemen beschäftigt sind.“ Weil die Passiven weniger auffällig sind, mag die Schulsozialarbeiterin keine Zahlen über die Häufigkeit von Schulschwänzen nennen.
„Hinter der Schulverweigerung stehen oft Mütter und Väter in Not“, weiß Schlehbusch-Wingerath aus Erfahrung. Das Schwänzen sei quasi Folge eines „Familienproblems“. Gründe können Trennung der Eltern, Sucht, psychische Probleme, Gewalt oder sexueller Missbrauch sein oder auch die mangelhafte Versorgung im Elternhaus.
„Zudem gibt es eine weitere Gruppe, die dem Unterricht fern bleibt, aufgrund einer sogenannten ‚nicht ermutigenden Schullaufbahn’“, erklärt die Schulsozialarbeiterin. Das sind Schüler mit nur geringem Erfolg, Wiederholer von Klassen, bei denen zu mehrfachem ‚Sitzenbleiben’ noch hinzu kommt, dass sie deutlich älter sind als ihre Klassenkameraden.
Petra Schlehbusch-Wingerath weiß auch: Alle Probleme kann sie nicht heilen. „Aber ich kann die Schüler wieder zur Schule holen und Eltern und Kinder – falls nötig – zu weitergehenden Institution und Einrichtungen begleiten. Zum Beispiel, wenn Missbrauch oder häusliche Gewalt vorliegt.
Konsequenzen bei dauerhaftem Fehlen: Bußgeld oder Sozialstunden
Wenn ein Schüler dauerhaft die Schule schwänzt und auch die Eltern trotz mehrmaliger schriftlicher Aufforderung ihrer Pflicht nicht nachkommen, ihr Kind zur Schule zu schicken, stellt die Schule einen Antrag auf „zwangsweise Schulzuführung“ an die Stadt. Dann rückt ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes aus, um den Schulschwänzer abzuholen und zur Schule zu bringen. „Etwa zehn Schüler machen in Rees Jahr für Jahr diese Erfahrung“, sagt Frank Schlütter vom Reeser Ordnungsamt. Wenn auch dies letztlich nicht zu einem regelmäßigen Schulbesuch führt, kann die Schulbehörde des Kreises Kleve ein Bußgeldverfahren gegen die Eltern einleiten. Oder Sozialstunden für den Jugendlichen verhängen. „Letzteres ist grundsätzlich die bessere Möglichkeit, weil der Schüler dann die Konsequenzen fühlt“, sagt Schulsozialarbeiterin Petra Schlehbusch-Wingerath.