Düsseldorf. NRW-Ministerpräsidentin spricht über ihre Wahlchancen, die Folgen für den Bund und den Erfolg der Piraten.

Die Stimmen der Parteibasis hat sie bereits – die der Wähler noch nicht. Mit 98,3 Prozent hat die SPD Mülheim soeben Hannelore Kraft für die Landtagswahl am 13. Mai nominiert. Am Samstag will der SPD-Parteitag sie zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl küren. Vorher stellte sich die Ministerpräsidentin in ihrer Staatskanzlei den Fragen von Walter Bau und Theo Schumacher

Frau Ministerpräsidentin, in NRW ist Wahlkampf, aber keiner kriegt es mit. Ist die Wahl schon gelaufen?

Hannelore Kraft: Nein. Die Parteien stecken ja noch in der Organisationsphase, schreiben Programme und nominieren Kandidaten. Nach Ostern folgen dann vier kurze, heftige Wochen bis zum Wahltag am 13. Mai.

Bisher dominieren die Spitzenkandidaten. Bleiben Inhalte auf der Strecke?

Kraft: Das hoffe ich nicht. Themen gibt es genug. Nehmen wir den Bildungsbereich. Wir haben den Schulkonsens erzielt, aber müssen jetzt sehen, wie wir mehr Qualität schaffen und gemeinsames Lernen von Behinderten und Nichtbehinderten sicherstellen. Oder die Wirtschaftspolitik. Da geht es um die beste Strategie, wie NRW ein starker Industriestandort bleibt, gerade vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Energiewende.

Bei Ihren guten Umfragewerten ist es doch in Ihrem Sinne sein, wenn sich alles auf Personen konzentriert?

Kraft: Natürlich sind gute Werte ein Ansporn. Aber Umfragen sind nur Wasserstandsmeldungen. Das galt vor der Wahl 2010, als wir in Umfragen hinten lagen, und das gilt heute.

Haben Sie die Piraten auf Ihrer Rechnung?

Kraft: Sie sind noch ein unbeschriebenes Blatt und haben sich ja gerade erst personell aufgestellt. Ich bin gespannt, was sie an Inhalten für die Landespolitik bieten werden. Die Wähler wollen ja wissen, wer für was steht.

Was macht den Erfolg der Piraten aus?

Kraft: Deren Aufstieg hat auch damit zu tun, wie manche Bürger sich Politik vorstellen. Sie glauben, dass vieles im Hinterzimmer ausgekungelt wird, dass Entscheidungsprozesse nicht transparent sind. Ich finde, dieser Pauschalvorwurf trifft nicht zu. Die Piraten profitieren, weil sie jetzt erst einmal als frischer Wind wahrgenommen werden. Für die Demokratie ist es sicher gut, wenn sie Nichtwähler motivieren können. Aber sie müssen sich inhaltlich positionieren.

CDU und FDP wollen Sie als „Schuldenkönigin“ angreifen.

Kraft: Das ist Unsinn. Bei einer Pro-Kopf-Neuverschuldung von 165 Euro in 2011 liegt NRW im Mittelfeld der Bundesländer, der Bund dagegen bei 212 Euro. Wir haben die von der Vorgänger-Regierung geplante Neuverschuldung für 2011 mehr als halbiert. Wir werden die Schuldenbremse einhalten und spätestens 2020 keine neuen Kredite mehr aufnehmen.

Aber Sie satteln Milliarden bei den Ausgaben drauf.

Kraft: Neben dem Sparen mit Augenmaß investieren wir gezielt in eine gute Zukunft für unser Land: in Kinder, Bildung, Vorbeugung und Kommunen. Das ist auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft, weil uns sonst ein erheblicher Fachkräftemangel droht. Es geht um die Sicherung des Wirtschaftsstandorts NRW. Und wir wollen die Einnahmen erhöhen: Ein höherer Spitzensteuersatz für die Bildung und mehr Einnahmen bei hohen Vermögen und Erbschaften. Ich meine, dass die starken Schultern in Deutschland mehr tragen können und müssen als sie das bisher tun.

Was bedeutet es für Berlin, wenn Rot-Grün in NRW gewinnt?

Kraft: Das wäre ein starker Schub für Rot-Grün mit Blick auf die Bundestagswahl 2013, ganz klar. Deshalb setzen wir alles daran, von hier aus für den nötigen Rückenwind zu sorgen.

Bedeutet eine Stärkung von Hannelore Kraft eine Schwächung von Angela Merkel?

Kraft: Zumindest wäre es ein klares Signal.

Auch für Ihre Kanzlerkandidatur?

Kraft: Die wird es nicht geben, weder 2013 noch 2017. Mir geht es um wichtige Inhalte. Wir haben in NRW mit einer konsequenten Politik, die auf Vorbeugung setzt, einen Prozess begonnen, der langfristig angelegt ist. Das kann ich nur hier im Land umsetzen, gemeinsam mit den Kommunen. Ich will diese Politik zum Erfolg führen und kein Kind mehr zurücklassen. Dafür braucht man Herzblut und einen langen Atem. Deshalb ist eine Kandidatur kein Thema.