Essen. 15 Prozent aller Soldaten sollen künftig Frauen sein – mindestens. dieses Ziel hat sich die Bundeswehr selbst gesetzt. Noch allerdings liegt die Quote bei den neuen Freiwilligen um die sechs Prozent, bei den Zeitsoldaten zuletzt bei elf Prozent. Weibliche Werberinnen, Kita-Plätze mit dienstgerechten Öffnungszeiten und Eltern-Kind-Zimmer in Kasernen sollen es nun richten.
Früher waren Frauen nur als Sanitäterinnen bei der Armee erwünscht. Seit elf Jahren stehen ihnen alle Laufbahnen der Bundeswehr offen. Doch in vielen Kompanien, auf vielen Marineschiffen sind Frauen immer noch Exoten. Das soll sich ändern. Die Streitkräfte, seit dem Ende der Wehrpflicht verzweifelt auf der Suche nach Nachwuchs, wollen gezielter als bisher die Frauen umgarnen.
„18 000 Soldatinnen dienen zurzeit in der Bundeswehr. Das sind 9,3 Prozent der Zeit- und Berufssoldaten“, rechnet Hauptmann Mona Stuber, Gleichstellungsbeauftragte des Verteidigungsministeriums. Im letzten Quartal waren 14 Prozent der neuen Zeitsoldaten Frauen, am 2. April werden unter den 2293 Neuen nur 11 Prozent (246) Frauen sein. Der Frauenanteil bei den Neuen im freiwilligen Wehrdienst blieb mit sechs Prozent stabil auf niedrigem Niveau.
Frauen langsam auch in höheren Dienstgraden
Immerhin erreichen nun, nach elf Jahren, Frauen auch die höheren Dienstgrade. Unter ihnen: Leonie H. (28), Oberleutnant zur See auf dem Minensuchboot „Passau“ und eine von nur vier Frauen in einer 40-Mann-Besatzung.
Nein, sie hat damit keine Probleme, versichert sie. Nachteile erfahre sie nicht. Und doch: „Ich weiß, dass ich in einer von Männern dominierten Arbeitswelt bin“, sagt die 28-Jährige, auf der „Passau“ Zweiter Wachoffizier und verantwortlich für Waffen und Munition. „Manchmal genießen Frauen auf einem Schiff etwas mehr Rücksicht, da werden Fehler eher verziehen, da werden uns gegenüber keine derben Scherze gemacht. Manchmal legt mir sogar jemand einen Schokoriegel aufs Kopfkissen. Aber auf solchen Dingen darf man sich nicht ausruhen“, erklärt sie. Niemand wolle, niemand dürfe bevorzugt werden.
Paare müssen getrennt zur See fahren
Es kursieren nette Geschichten über Frauen an Bord. Zum Beispiel die von der Deo-Spray-Wolke, die plötzlich durch die Flure wabert, sobald eine Frau auf dem Schiff ist. Wahr ist aber auch: Paare, Eheleute zumal, fahren auf Marineschiffen nicht lange gemeinsam. Sie werden getrennt. Zu groß könnte der Neid der anderen auf das Pärchen werden.
Hellmut Königshaus (FDP), der Wehrbeauftragte des Bundestages, kritisiert in seinem Jahresbericht, dass es in einigen Köpfen noch immer eine „unterschwellige ablehnende Grundhaltung“ gegen Frauen gebe. In Fachzeitschriften, allerdings nicht in offiziellen der Bundeswehr, sei von einem „Kampfwertverlust“ durch den Einsatz von Frauen die Rede. Sexuelle Belästigung komme in Einzelfällen vor.
Gleichstellungsbeauftragte sieht keine frauenfeindliche Einstellung
Mona Stuber, die Gleichstellungsbeauftragte, sieht „grundsätzlich keine frauenfeindliche Einstellung“ bei den Streitkräften. „Frauen haben die Bundeswehr positiv verändert, und ich meine ausdrücklich nicht nur den vielfach zitierten anderen Umgangston. Auch die öffentliche Wahrnehmung hat sich positiv verändert. Die Bundeswehr ist Teil der Gesellschaft, und die besteht nun mal aus Frauen und Männern.“
Die Armee ist noch lange nicht frauen- und familienfreundlich genug, bemängelt hingegen Wehrbeauftragter Königshaus. Es fehlten 1000 Kita-Plätze für die Kinder von Bundeswehrangehörigen und mindestens 200 zusätzliche Eltern-Kind-Zimmer in den Kasernen. Bisher gibt es 100.
Generationswechsel abwarten
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums beteuert, dass man den Frauenanteil insgesamt auf 15 Prozent heben will. Das werde aber noch länger dauern, räumt er ein: „Bei den älteren Bundeswehrangehörigen handelt es sich zum Großteil um Männer, das ist historisch gewachsen. Da müssen wir den Generationswechsel abwarten. Bei den Neueinstellungen im Bereich der Zeitsoldaten sind wir dem Ziel ja schon nah.“
Erstaunlich viele Frauen wollen zur Luftwaffe
Unter den Freiwilligen bei der Bundeswehr, die am 2. April in den Sanitätsdienst gehen, ist jeder Dritte eine Frau, bei den neuen Zeitsoldaten sogar 67 von 81. Anders sieht es bei der Marine aus: Unter den neuen Freiwilligen sind vier Prozent Frauen, bei den neuen Zeitsoldaten knapp sechs Prozent. Beim Heer ist das Verhältnis vergleichbar. Bei der Luftwaffe ist der Frauenanteil höher: bei den neuen Freiwilligen sind es über acht Prozent, bei den Zeitsoldaten über zehn Prozent.
Die meisten Freiwilligen, die am Montag ihren Dienst bei der Bundeswehr antreten, kommen auch diesmal aus NRW: 372 von 1360.