Kamen. .
Lebensmittel sind, wie der Name schon sagt, ein Mittel zum Leben. Umso bedrückender ist die Tatsache, dass statistisch betrachtet jeder Privathaushalt Jahr für Jahr 82 Kilogramm scheinbar verdorbener Ware in den Müll wirft. Auch in Kamen gibt es dieses Problem.
Und es hört nicht im eigenen Haushalt auf. Auch Großküchen, Lebensmittelhändler, Gastronomiebetriebe und Hotels stehen vor der Frage, wie sie mit Essensresten und mit nicht mehr verkäuflichen Lebensmitteln umgehen. Vielfach ist noch verpackte Ware darunter, bei der das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. „Dabei sagt dieser Aufdruck nichts über die Genießbarkeit des Produktes aus und ist schon gar nicht als Wegwerfdatum misszuverstehen“, sagt Jutta Eickelpasch, Umweltberaterin der Verbraucherzentrale. Der massive Anfall von Lebensmittelmüll ist auch Ausdruck von sinnloser Verschwendung in unserer Überflussgesellschaft. Der Wert dieser Abfälle wird pro Kopf auf jährlich 235 Euro geschätzt.
Sorgfältige Planung beim Einkauf und bei der Zubereitung, empfiehlt Jutta Eickelpasch, um Essensreste zu vermeiden. „Und sollten sie doch anfallen, dann gehören sie auf gar keinen Fall ins Klo!“, betont sie. Flüssige Essensreste wie Suppen oder Soßen hätten auch nichts in der Bio-Tonne zu suchen. Ihr Tipp: „Solche Sachen einfach in eine Plastiktüte kippen, zubinden und in die Restmülltonne geben.“ Andere Essensreste kann man entweder in der Biotonne oder im Kompost entsorgen. Bevor Reste aber tatsächlich in den Müll gegeben werden, kann man sie aber auch wieder verwenden. Wie, das verrät ein Rezeptbuch, das bei der Verbraucherzentrale erhältlich ist. Es heißt „Kreative Resteküche!“
Auch in einem Lebensmittelladen wie Rewe gibt es Abfall. Allein in der Filiale Adenauerstraße ist das nach Angaben von Marcus Nüsken eine Menge von 4000 Litern im Monat. Mehr als die Hälfte davon sind Knochenreste. Auch Obstschalen und Blattgrün von Gemüse zählen dazu. „Im Verhältnis zum Gesamtumsatz macht dieser Abfall gerade einmal etwas mehr als 1 Prozent aus“, betont Marcus Nüsken. Durch gezielte Disposition sei die Menge verdorbener oder unbrauchbarer Ware in den letzten Jahren immer kleiner geworden.
Vor einigen Jahren habe er Ware auch an die „Tafel“ abgegeben. Davon aber habe er Abstand genommen, weil damals haftungsrechtliche Fragen ungeklärt waren. „Als abgebender Händler musste ich für die Güte der Ware den Kopf hinhalten, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war.“ Außerdem habe ihn sein Steuerberater darauf aufmerksam gemacht, dass offiziell an Tafeln abgegebene Ware vom Finanzamt wie eine Privatentnahme behandelt werde. „Dabei geht es doch eigentlich nur darum, Not leidenden Menschen zu helfen.“ Und so landen auch die verdorbenen Lebensmittel und nicht verwertbaren Reste von Rewe in einer Biogasanlage. Von Müll will Nüsken in diesem Zusammenhang nicht gerne sprechen: „Es ist Wertstoff, aus dem Strom entsteht.“
In der Großküche des Hellmig-Krankenhauses fallen monatlich 1000 Liter Lebensmittelreste an. „Dabei handelt es sich um Essensreste, die einerseits bei der Produktion entstehen oder von den Zimmern zurück kommen“, erklärt Krankenhaus-Geschäftsführer Norbert Vongehr. Man sei sehr bemüht, diese Menge so klein wie möglich zuhalten. Insbesondere durch die elektronische Erfassung von Patienten und deren Essensbestellungen sei es möglich geworden, diese Menge um rund 10% zu reduzieren. „Im Vergleich zu früher, als es noch ein Karteikarten-System gab, wird die Küche heute viel früher darüber informiert, ob ein Patient entlassen worden ist, so dass keine Überproduktion erfolgt.“ Auch die Essens- und Lebensmittelabfälle vom Hellmig-Krankenhaus landen in der Biogas-Anlage. Kosten für das Krankenhaus: rund 3000 € jährlich.
Auch in der Mensa des Schulzentrums müssen Lebensmittel entsorgt werden. „Die Menge der Essensreste schwankt jahreszeitlich bedingt“, weiß Mensa-Chef Markus Schwartz. Im Sommer drücken die warmen Temperaturen den Appetit. „Wenn wir merken, dass die Abfallmengen an einer Schule ungewöhnlich hoch sind, fahren wir raus und versuchen das abzustellen“, sagt Schwartz. Trotzdem müssen rund 240 Liter wöchentlich von einem Resteverwerter entsorgt werden, der sie ebenfalls zur Stromerzeugung in eine Biogasanlage bringt.
Das Restaurant im Ikea-Einrichtungshaus dürfte allein schon wegen der Kundenfrequenz die meist besuchte Gaststätte Kamens sein. Entsprechend hoch ist auch hier die Menge der Essensreste. Wieviel genau und was damit geschieht, durfte uns Restaurantchefin Anne Ungermanns nicht sagen: „Anweisung der Konzernzentrale!“ Dort nachgefragt, erklärte Annette Wolfstein aus der PR-Abteilung: „Es ist tatsächlich so, dass jedes unserer 46 Ikea-Einrichtungshäuser, also auch das in Kamen, seine Lebensmittelreste von einem zentralen Entsorger abholen lässt. Diese werden dann zu Bio-Diesel verarbeitet.“
Lebensmittel weg zu werfen, das geht gar nicht“, meint Hans-Martin Böcker, Vorsitzender des Presbyteriums der evangelischen Kirchengemeinde in Kamen. Aber er weiß auch: „Wir leben in einer Gesellschaft, die auf Wegwerfen angelegt ist.“ Er selbst sei noch so erzogen worden, dass „man kein Brot weg wirft“. Umso bedrückender sei es, zu sehen, welche Mengen an Lebensmitteln heute auf dem Müll landen. „Als Kunden könnten wir beim täglichen Einkauf darauf achten, nur das in den Warenkorb zu legen, was wir tatsächlich verbrauchen. Aber auch Händler und Disponenten in Restaurants und Gaststätten könnten sich bemühen, in ihren Küchen nur das zuzubereiten, was tatsächlich auch gegessen wird. Auch die Angewohnheit des „lieber zu viel als zu wenig“ gehöre auf den Prüfstand. „Das fängt schon bei unseren Sitzungen im Kirchenkreis an“, übt Becker Selbstkritik. „Wenn ich sehe, dass von den Schnittchenplatten manchmal mehr als die Hälfte liegen bleibt...“ Segensreich sei das Bemühen, die Tafeln im Kreis mit Lebensmitteln zu versorgen. „Hier gibt es nach wie vor einen großen Bedarf!“