Paris. Nach dem Terror in Toulouse drückt der Kampf gegen den islamischen Fundamentalismus dem französischen Wahlkampf den Stempel auf. Sarkozy profiliert sich als “Law-and Order“-Politiker, der schärfere Gesetze gegen islamistische Fundamentalisten fordert.

Der Präsident als väterlicher Beschützer der Franzosen – das ist die Rolle, in der sich Nicolas Sarkozy seit einiger Zeit am meisten gefällt. In den hektischen Wochen der gefährlichen Finanzkrise verstand er es, sich so zu profilieren. Als der, der zuverlässig Schaden von seinem Volk und von Europa abwendet. Auch jetzt, an diesen traumatisierenden Terror-Tagen von Toulouse, an denen er väterlich-besonnen an die „Einheit der Nation“ appelliert, zeigt Nicolas Sarkozy staatsmännische Größe.

Entsetzt und traurig hält Frankreich nach dem schockierenden Blutbad vor der jüdischen Schule inne, die auf Hochtouren laufenden Wahlkampfmaschinen werden abrupt gestoppt. Doch kaum sind die Patronenhülsen vor der Wohnung des erschossenen Attentäters weggefegt, geht die Kampagne schon wieder los. Noch am Donnerstagabend fliegen die Kandidaten zu Kundgebungen in die Provinz - Sarkozy nach Straßburg, sein Herausforderer François Hollande in die Auvergne. Der Endspurt für die  Präsidentschaftswahl in vier Wochen hat begonnen.

Hollande muss höllisch aufpassen

Nach Toulouse, das zeichnet sich klar ab, werden die Karten neu gemischt. Der Amtsinhaber wird punkten, Marine Le Pen, die Kandidatin des rechtsextremistischen „Front National“ (FN) auch, und der Sozialist François Hollande, obwohl noch immer Favorit für die Stichwahl, muss höllisch aufpassen, dass er den Anschluss behält. Denn der Komplex Innere Sicherheit/Terrorismus/Islamismus steht auf seiner sozialpolitisch dominierten Agenda ganz weit unten.

Ganz anders der Amtsinhaber: Der hat sich schon als Innenminister den imponierenden Ruf eines „Law-and-Order“-Politikers erworben. Unvergesslich ist eine heroische Episode aus seiner Zeit als Bürgermeister von Neuilly. Als sich ein Geiselnehmer 1993 zwei Tage lang mit 21 Kindern in einem Kindergarten des Pariser Vorortes verschanzte, leitete Sarkozy die Verhandlungen selbst und bot sich sogar als Geisel an. Vor laufenden Kameras rettete er, der Held, dann Kind für Kind aus dem Hort.

Schärfere Gesetze gegen Fundamentalisten

Auch jetzt beweist Sarkozy Format und Präsenz: In Toulouse drückt er der jüdischen Gemeinde seine Anteilnahme aus und in Montauban verneigt er sich vor den Särgen der erschossenen Fallschirmjäger. Im Elyséepalast pflegt er demonstrativ den Dialog mit Muslimen und Juden und bei jeder sich bietenden Gelegenheit beschwört er, stets die Trikolore im Rücken, „den Zusammenhalt der Nation“. Er predigt gegen den Hass, aber ganz nebenbei verkündet er, der starke Mann, nun schärfere Gesetze zum Schutz vor islamischen Fundamentalisten.

Mögliche Fahndungspannen im Fall Mohamed Merah versuchen Sarkozys Gefolgsleute deshalb möglichst zu bagatellisieren. Der US-Geheimdienst hatte den in pakistanischen Terrorcamps ausgebildeten „Gotteskrieger“ als sehr gefährlich eingestuft und auf seine „No-Fly“-Liste für Terrorverdächtige gesetzt. Kritiker fragen nun: Haben die französischen Dienste geschlafen? Auch am Vorgehen der Anti-Terror-Einheit „Raid“ in Toulouse entzündet sich Kritik. Christian Prouteau, Gründer einer Anti-Terror-Spezialeinheit der Armee, tadelt, dass der Serientäter nicht  lebend gestellt wurde. Außerdem beklagt er die lange Dauer des Einsatzes. Die „Raid“-Spezialisten hätten Tränengas einsetzen sollen. „Das hätte er keine fünf Minuten ausgehalten“, sagt Prouteau der Zeitung „Ouest-France“.

Le Pen prangert Islamismus an

Angriffslustig wie eh und je präsentiert sich FN-Chefin Marine Le Pen. „Seit zehn Jahren prangere ich den Islamismus an“, sagt sie und fügt hinzu: „Seit zehn Jahren sage ich, dass ganze Wohnviertel in der Hand von islamischen Fundamentalisten sind. Und ich sage es noch einmal – wir unterschätzen diese Gefahr.“

Derweil der Kandidat Sarkozy den noblen Staatsmann gibt, übernehmen seine „Leutnants“ die rüden Attacken. So ätzt Jean-François Copé, Chef der Präsidentenpartei UMP, gegen Grüne und Sozialisten, weil diese „ständig die fundamentalistische Gefahr geleugnet“ hätten. Den jüngsten Sarkozy-Plan, schleunigst schärfere Gesetze zur Eindämmung des islamischen Fundamentalismus durchs Parlament zu peitschen, feiern sie insgeheim sogar als taktische Meisterleistung. Das Kalkül: Lassen sich die Sozialisten darauf ein, darf Sarkozy triumphieren. Lehnen sie ab, weil ihnen die Freiheit des einzelnen wichtiger ist als der unerbittliche Überwachungsstaat, könnten sie als vaterlandslose Gesellen an den Pranger gestellt werden.