Essen. Am Freitag erscheint das neue Album. „MDNA“ bietet Dancepop und gute Songs, schlechte Songs. Madonna hat an Strahlkraft verloren. Die Tourneen laufen super, doch die Alben wurden mittelmäßig bis uninteressant.

Als Gladiatorin verkleidet, in einer Schar glänzend geölter junger Männer marschierte Madonna Louise Ciccone Anfang Februar noch ins Stadion von Indianapolis: Halbzeit-Entertainment fürs Super Bowl-Finale als spätrömisches Spektakel mit vier alten Hits und dem neuen Stück „Give me all your Luvin’“.

Immer jugendlicher

Als Chefin, als die Queen of Pop sieht sich die 53-jährige Madonna am liebsten. Dabei hat sie die Zügel längst nicht mehr so fest in der Hand wie zu ihren Glanzzeiten zwischen 1984 und 2000. Jüngere haben sie überholt. Eine Katy Perry platziert sechs Singles ihres aktuellen Albums an der Spitze der US-Charts, eine Rihanna besticht mit forscher Erotik, eine Lady Gaga kratzte nicht nur an Madonnas Thron, sie sitzt eigentlich auf ihm.

Der bekannteste lebende Popstar der Welt war spätestens seit seinem „Like a Virgin“-Triumph ein globaler Begriff, massengeschmackstauglich wie Coca-Cola oder McDonald’s. Es folgten immer wieder neue Kniffe: Die Religionsphase („Like a Prayer“), die Sexphase („Erotica“), die klassische Phase („Evita“), die elegante Phase („Ray of Light“). Sie inszenierte sich als Sadomaso-Lady, küsste Britney Spears, botoxte sich die Falten weg und macht am Tag drei Stunden Sport. Hilft auf Dauer jedoch alles nicht: Madonna hat an Strahlkraft verloren. Die Tourneen laufen super, doch die Alben wurden mittelmäßig bis uninteressant.

Die gute Nachricht über die zwölf (Standardversion) beziehungsweise 17 (Deluxe­version) „MDNA“-Songs: So schlimm wie die plumpe Cheerleader-Single „Give me all your Luvin’“ ist es dann am Ende doch nicht geworden. Die etwas weniger gute Nachricht: So richtig toll ist es auch nicht.

Bös-morbid mit Bass

Je älter Madonna wird, desto jugendlicher klingt ihre Musik. Die neueste Single „Girl Gone Wild“ treibt allerdings die inhaltliche Leere auf die Spitze. Dafür ist die Musik sehr tanzbar. Überhaupt, bewegen kann man sich zu „MDNA“ ganz vorzüglich. Das gefällige „Turn up the Radio“ ist wie gemacht für Bauch-Beine-Po-Kurse und Jogging. „I’m a Sinner“ oder das die Standardversion abschließende und märchenhaft orchestrale „Falling Free“ werden keine Hits, sind aber hübsch gemacht.

Die zusätzlichen Songs aus der Deluxefassung sind abgesehen vom albernen Kinderpop auf „B-Day-Song“ nett bis plätschernd. „I fucked up“ („Ich habe es vergeigt“) immerhin bietet inhaltlich zwei rare Madonna-Emotionen: Verletzlichkeit und Selbstkritik. „Ich wünschte, ich könnte dich zurückbekommen, aber das geht wohl nicht mehr“, singt sie. Gemeint dürfte Guy Ritchie sein, ihr Ex-Mann und Vater des gemeinsamen Sohnes Rocco (11).

Unterm Stich ist „MDNA“ ein weder übles noch begeisterndes Dancepopalbum. Wirklich in Erinnerung wird aber ein Song bleiben, nicht nur wegen des Google-freundlichen Titels. „Gang Bang“ ist eine großartige, auf einem trockenen Beat und starkem Bass basierende, herrlich bös-morbid klingende Nummer. Wenn Madonna ab sofort nur noch solche Lieder macht, dann kann sie gerne weiter ihre Jugendwahnmacke pflegen und noch mit 90 auf Fotos in Unterwäsche posieren.