Köln. Jonas Jonasson über den Erfolg seines „Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg“ und sein nächstes Buch

Man hört ihn, bevor man ihn sieht – bei Jonas Jonasson (49) ist so gut wie jeder Satz von einem Lachen begleitet. Britta Heidemann sprach mit dem frohgemuten schwedischen Autor, der mit seinem Debüt unversehens zum großen Bestseller wurde.

Sie haben lange als Journalist gearbeitet, oder?

Jonas Jonasson: Ja, ich habe bei einer Tageszeitung angefangen und hatte später meine eigene Firma als Medienberater. Ziemlich erfolgreich, unter finanziellen Aspekten.

Und das haben Sie aufgegeben, um zu schreiben?

Jonasson: Naja, es war so: Wir waren zu zweit in der Firma. Ich war sozusagen zuständig für alles. Und als wir über hundert Angestellte hatten, dachte ich, ich wäre immer noch zuständig für alles. Bis hin zum Kopierer und zur Kaffeemaschine. Es wurde zu viel. Ich galt als jemand, der gute Ideen hatte, also fragten mich die Angestellten: Jonas, was meinst du dazu? Es war nur eine einfache Frage. Aber was ich hörte, war: Du! Musst! Mir! Helfen! Sonst sterbe ich! Ich wurde krank, depressiv, litt unter Ängsten. Ich verkaufte die Firma und beendete mein Buch.

Angefangen zu schreiben hatten Sie schon vorher?

Jonasson: Ja, ich fing an in meiner Höher-Schneller-Weiter-Phase. Sehr seltsam: Je größer meine Ängste wurden, desto cooler und ruhiger wurde mein Held Allan Karlsson.

Ihr Buch hat eine äußerst verrückte Story, wie kommt man auf so was?

Jonasson: Weiß nicht. Talent, vielleicht.

Klar.

Jonasson: Ich habe ziemliche Fantasie. Eine Fähigkeit, immer das Absurde in Situationen zu sehen.

Ihr Humor kommt ziemlich britisch daher.

Jonasson: Ja, vielleicht. Erst vor kurzem habe ich auf YouTube noch mal Folgen der TV-Serie „Fawlty Towers“ gesehen, in der John Cleese ein Hotel führt. Und hinterher dachte ich, vielleicht wollte ich meinen Tank auffüllen, wie an einer Tankstelle für Humor. In der Serie wird jedes Vorurteil, dass man gegen eine Nation so haben kann, bedient.

Ihr Buch kommt ja ohne politische Korrektheit aus, das ist schon mutig.

Jonasson: Ja? Ich habe mich öfters gefragt: Hey, kann ich das wirklich so schreiben? Kann ich in den Kopf von Churchill steigen und ihm Worte in den Mund legen? Aber dann habe ich mir gesagt: Ich habe das gerade so geschrieben. Also ist es möglich. Ich bin froh, dass ich mit dem Schreiben so lange gewartet habe. Als ich Sprachen studiert habe, las ich Vargas Llosa, Milan Kundera, Garcia Lorca. Hätte ich damals mit einem Roman begonnen, hätte ich die alle verrührt. Es wäre unerträglich geworden.

War es schwer, als Debütant einen Verlag zu finden?

Jonasson: Ich habe das Buch an sechs Verlage in Schweden geschickt, fünf lehnten ab. Der sechste Verleger rief an, als er das Buch erst halb durch hatte. Er hatte großes Vertrauen in das Buch. Normalerweise liegt bei ihm die Startauflage bei 3000. Mein Buch startete mit 7000 Exemplaren…

Und nun hat es sich weltweit zwei Millionen Mal verkauft.

Jonasson: Ja, so ungefähr. Für mich war es nur wichtig, veröffentlicht zu werden. Das gab mir wieder eine Identität. Als ich die Firma verkauft hatte, stand ich ja als Niemand da – wenn auch als finanziell unabhängiger Niemand. Ich wohnte damals im Tessin und wurde oft gefragt: Und, was machst du so? Ich sagte, ich bin Autor. Und alle waren superbeeindruckt. Bis klar war, dass ich gar keinen Verlag hatte…

Wann kommt Ihr nächstes Buch?

Jonasson: Der Arbeitstitel lautet „Die Analphabetin, die rechnen konnte“, es soll im Herbst erscheinen. Diesmal ist meine Heldin eine junge schwarze Südafrikanerin, die nach vielen Wendungen nach Schweden gelangt. Und es kommen wieder einige Berühmtheiten vor… Das Buch erzählt die jüngere Geschichte aus afrikanischer Perspektive.

Wie hoch ist der moralische Anspruch Ihres Schreibens?

Jonasson: Ich habe meinem Roman ein Zitat von Amos Oz vorangestellt, aber ich bin mir nicht sicher, ob es bleiben wird. Vielleicht verrät es zu viel darüber, wie man das Buch lesen soll.

Wie lautet es?

Jonasson: „Ich habe nie einen Fundamentalisten mit Humor getroffen. Oder jemanden mit Humor, der Fundamentalist war.“