Altena. .
Augenmaß und Zollstock waren gestern Vormittag auf der Burg Altena gefragt. Die beiden Kutschen, die Besucher bislang in der Remise unter dem Motto „Reisen als Privileg“ begutachten konnten, rollten zum letzten Mal durch die gepflasterten Höfe. Grund: Ihr bisheriges Domizil ist künftig die Bergstation für den Erlebnisaufzug.
Etwas wehmütig war Museumsleiter Stephan Sensen natürlich ums Herz. Doch vor die Wahl „Kutschen oder Burgaufzug“ gestellt, gibt er doch Letzterem den Vorzug. Für den Weg in die künftige Herberge hatte Kreis-Restaurator Holger Lüders die hochherrschaftlichen Gefährte gut gesichert: Außenlaternen abmontiert, Fenstergläser stabilisiert, Türen fest zugebunden. Unterstützung gab es dabei durch seine freischaffende Kollegin Ina Wohlfahrt-Sauermann, die die Chaisen von der Deichsel über Wagenkasten bis hin zum Tritt für den einst hinten stehenden Lakaien bestens kennt. Im Rahmen eines Praxissemesters während ihres Studiums im Jahre 2006 beschäftigte sie sich ganz intensiv mit den „Urahnen“ heutiger Automobile. Reinigungs- und Sicherungsarbeiten gehörten ebenso zu den Aufgaben wie die Erforschung der Herkunft. „Beide Kutschen gehörten einst dem Adelsgeschlecht Sayn-Wittgenstein. Gefertigt wurden sie wahrscheinlich in der Zeit zwischen 1830 und 1850. Genaueres lässt sich allerdings den noch vorhandenen Archiv-Unterlagen nicht mehr entnehmen.“
Klar ist jedoch, dass die beiden über etwa 4,50 Meter langen und zwei Meter hohen Gefährte jeweils zwei Personen geschützte Innensitzplätze auf durchaus weich und bequem wirkenden Polstern boten. „Besonders die blaue Kutsche mit dem an der Tür angebrachten Wappen aus Silber dürfte ein echter Prunkwagen gewesen sein“, schätzt die Mendenerin. Der deshalb wohl nicht für strapaziöse Reisen über matschige, schlaglochübersäte Strecken gedacht war. Eher schon für eine repräsentative Fahrt des Fürstenpaares in die Oper oder zum standesgemäßen Vorrollen beim Verwandtenbesuch.
Fachspedition mitAbtransport beauftragt
Als Schenkung und durch Kauf gelangten die guten Stücke schließlich während der 1950er Jahres ins Burgmuseum Altena. Gestern nun hieß es Abschied nehmen. Drei Mitarbeiter der Düsseldorfer Fachspedition Schenker („Das ist nicht Ungewöhnliches für uns. Kutschen und Kanonen transportieren wir öfters.“) sorgten mit jeder Menge Styropor und Schaumstoff dafür, dass die Räder nicht mit dem Pflaster in Berührung kamen. Hier noch ein paar Zentimeter manövriert, da leicht einen Bogen geschlagen. Langsam schoben die Fachleute jede Kutsche über Hartfaserplatten und zwei Rampen auf einen flachen Transportanhänger. Vorsichtiges Festzurren mit Gurten, dann rollte der Anhänger langsam durch die Burghöfe und den steilen Berg Richtung Langer Kamp hinunter, wo schon ein entsprechender Lkw für den Weitertransport wartete.
Neben den beiden Reisekutschen findet auch ein barocker Jagdschlitten aus dem 18. Jahrhundert – in den 1960er Jahren zum Preis von 650 D-Mark in Süddeutschland erworben – vorläufigen Unterschlupf in der Betriebsstelle Iserlohn-Calle der Märkischen Verkehrsgesellschaft. Die MVG stellt dort ihre ehemalige Lackiererei als Zwischenlager zur Verfügung.
Moderne Busunterstände bieten so ihren vornehmen Vorgängern Asyl. Das bislang ebenfalls in der Remise untergestellte Zweirad bleibt der Burgstadt treu – und zwar im Drahtmuseum.
Märkischer Kreis