Lünen. . Offensiv wie kaum eine andere Gruppierung unterstützten Lüner Rechtsextreme die Morde der Zwickauer Terrorzelle und rufen zum Kampf auf - „nofalls mit allen Mitteln“.
Die Lüner Rechtsextremen-Szene sorgt bei Gleichgesinnten für Aufsehen und schockt ihre Gegner: Offensiv wie kaum eine andere Gruppierung unterstützt sie die Morde der Zwickauer Terrorzelle, bezeichnet sie als „ethnische Säuberung“. Im gleichen Atemzug fordert sie zum „Kampf [...] gegen das Verräter-Regime“ auf – und zwar „notfalls mit allen Mitteln“.
So ist es zu lesen auf einer von zwei Internet-Seiten, für welche die Lüner Rechtsextremisten verantwortlich zeichnen. Einzigartig ist dies, weil die übrige Nazi-Szene zwar durchaus mit zynischen und sarkastischen Kommentierungen reagiert hatte, welche die Gesinnung zweifelsfrei erkennen ließen. „So unverblümt hat sich aber noch keine Neonazi-Gruppe zu diesem Thema geäußert, auch in Dortmund nicht“, sagt Dieter Frohloff von der Mobilen Beratung Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg.
Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat inzwischen Kenntnis von diesen Äußerungen. Beizukommen ist ihnen wohl nur schwer: Hinter der Internet-Adresse verbirgt sich ein Luxemburger Umleitungsdienst, die Quellserver stehen in den USA.
Dieter Frohloff ordnet die rechtsextremen Aktivitäten in Lünen einer Freien Kameradschaft zu, deren harter Kern mit etwa fünf Personen relativ klein ist. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen von Polizei und Staatsschutz, bei denen fünf Personen polizeibekannt seien, so Sprecher Wolfgang Wieland. Diese Gruppe ist nach Erkenntnissen von Dieter Frohloff aber durchaus aktiv. Zwei Internetseiten von rechtsextremen Gruppen in Lünen gibt es im Internet. Diejenige, auf welcher die Unterstützung der NSU-Morde zu finden ist, gibt sich als Seite eines Bündnisses Nationaler Widerstand Lünen-Kamen aus. Frohloff vermutet, dass letztlich die gleichen Personen hinter den beiden Portalen stecken. Es gebe in der Szene das Bedürfnis, Eindruck zu schinden und sich äußerlich größer zu geben, als man tatsächlich sei.
Öffentlich aufgefallen sind die Lüner Rechtsextremen bisher vor allem durch Farbschmierereien. Sie stehen auch im Verdacht, für den Anschlag auf das SPD-Parteibüro vor einigen Monaten verantwortlich zu sein. Im Internet bekennen sie sich selbst häufiger zur Verteilung von rechter Propaganda im Stadtgebiet.
Die Lüner Rechtsextremisten sind sehr gut mit anderen Gruppen aus der Region vernetzt. Die enge Zusammenarbeit mit den ca. 20 freien Kameradschaften und Gruppierungen autonomer Nationalisten im Kreis Unna führt dazu, dass sie bei Bedarf schnell Unterstützung bekommen. In kurzer Zeit ließen sich so bis zu 70 Rechtsextremisten mobilisieren, schätzt Dieter Frohloff. An Märschen und Demonstrationen in der Region nehmen die Lüner regelmäßig teil. Gute Verbindungen gibt es nach Einschätzung der Mobilen Beratung Rechtsextremismus auch zur rechten Szene in Dortmund und zu einer derer Kernfiguren: Dennis G., der im April als einer der mutmaßlichen Rädelsführer des Angriffs auf die DGB-Maikundgebung 2009 in Dortmund vor Gericht stehen wird. Er spielt eine wichtige Rolle beim „Nationalen Widerstand Dortmund“. Szene-Kenner gehen davon aus, dass die Lüner „auf ihn hören“. Er gilt als zentrale Figur bei der Bereitstellung von Internet-Angeboten für die rechte Szene. Auch die Seiten mit den Lüner Terror-Verherrlichungen sind über einen Dienst zu finden, der ihm zugerechnet wird, was sich aber anhand öffentlich verfügbarer Daten nicht sicher beweisen lässt.
Bedeutende Mitgliederzahlen oder Ortsgruppen von dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnenden Parteien gibt es in Lünen nicht. Nach Erkenntnissen von Dieter Frohloff von der Mobilen Beratung Rechtsextremismus aber sehr wohl gute Kontakte zum NPD-Kreisverband Unna/Hamm. Dessen Vorsitzender Hans-Jochen Voß ist regelmäßig Redner auf Demonstrationen von rechtsextremen Gruppierungen und pflegt zu diesen Strukturen gute Kontakte sowie unterstützt sie. Im Gegenzug helfen die Rechtsextremen vor Ort beim Aufhängen von NPD-Wahlplakaten.
Laut Frohloff ist Hans-Jochen Voß auch das Zitat „Die Kameradschaft und die Partei sind der Weg – das Reich ist das Ziel“ zuzuordnen, das sich immer wieder in Internet-Kommentaren und -Foren finden lässt – unter dem Pseudonym „NPD KV Unna/Hamm“.
Die in Lünen registrierten politisch motivierten Straftaten von rechts nehmen zu – wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. 2008 zählte die Polizei 12 solcher Fälle, 2009 waren es 24 und in 2010 waren es 31. Der weit überwiegende Teil waren jeweils sogenannte Propaganda-Delikte. Die Zahlen für 2011 liegen noch nicht vor
Die nach Amtseinführung des neuen Polizeipräsidenten Norbert Wesseler in Dortmund gegründete Sonderkommission „Kein Platz für Rechtsextremismus“ sei auch für Lünen zuständig, betonte Polizeisprecher Wolfgang Wieland auf Nachfrage. Sie habe rechtsextreme Täter auch dann im Blick, wenn sie wegen nicht politisch motivierten Taten auffällig würden. „Alle ihre Taten landen beim zuständigen Sachbearbeiter beim Staatsschutz.“