Schwerte. . Tagtäglich erlebt Werkarzt Dr. Heinrich Rack unter welcher Belastung die Mitarbeiter zahlreicher Schwerter Firmen stehen.
Offiziell hat sich Dr. Heinrich Rack noch nie in die Diskussion über die Heraufsetzung des Rentenalters eingeschaltet. Aber für den Leiter des Schwerter Werkarztzentrums an der Friedrich-Hegel-Straße steht außer Zweifel: Bis zum 66. oder gar 67. Lebensjahr zu arbeiten, „ist für den größten Teil meiner Probanden fast unmöglich“. Beschäftigte großer Metallbetriebe aus Schwerte sind es beispielsweise, die zu ihm kommen. Von Patienten spricht Rack ganz bewusst nicht, da keine Behandlung stattfindet. Seine Aufgabe besteht darin, den gesundheitlichen Zustand eines Mitarbeiters zu überprüfen. Schon in den 70er Jahren haben sich rund 60 Firmen aus Schwerte zusammengeschlossen, um gemeinsamen einen medizinischen Dienst zu organisieren. Wer in einem dieser Betriebe eine Ausbildung beginnen möchte, wird ebenso einen Termin bei Dr. Rack wahrnehmen wie diejenigen, die über körperliche oder psychische Leiden klagen, deren Ursache mit der Berufstätigkeit zusammenhängen können.
Die Belastungen in einer Gießerei, einer Kettenfabrik oder einer Spedition, um nur einige Beispiele aus der Industrie zu nennen, kann ein Beschäftigter ab einem gewissen Zeitpunkt seines Lebens im wahrsten Wortsinn kaum noch schultern, erklärt Rack. Trotz moderner Technik, die Arbeitsprozesse erleichtere, kommen noch viele Beschäftigte zu ihm, die unter ständigen Schmerzen des Rückens oder des gesamten Bewegungsapparates leiden. „Wir überlegen dann gemeinsam, wie eine Linderung erreicht werden kann“, erläutert Rack. Entweder stellt er den Kontakt zu einem Facharzt oder einer Klinik her. Sehr häufig schaltet er auch die Unternehmensleitung ein, um entweder die Bedingungen am Arbeitsplatz zu verändern oder eine andere Stelle im Betrieb zu finden. Doch die zuletzt genannte Möglichkeit wird immer seltener. „Früher konnte ein Betroffener in den Wachdienst wechseln, als Pförtner arbeiten, auf dem Lager tätig sein“, sagt der Mediziner. Doch solche Stellen seien bei zahlreichen Unternehmen durch den Arbeitsplatzabbau auf ein Mindestmaß gekürzt worden oder „man hat sie ausgelagert“. Rack: „Wachdienste haben Security-Firmen übernommen, Reinigungsarbeiten wurden an private Anbieter vergeben.“ Im Fall der Fälle bleibe keine andere Wahl als eine Umschulung, sagt der Arbeitsmediziner. Die heimischen Betriebe seien aber bemüht, vor allem langjährigen Beschäftigten eine Perspektive zu bieten und ihn für den Job zu qualifizieren.
Eine weitere Entwicklung betrachtet Dr. Rack mit Sorge: Die Zahl der Menschen, die unter einer „emotionalen Erschöpfung“ leiden, habe in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Der Mediziner scheut das Wort dem „Burnout-Syndrom“, weil es für ihn zu ungenau ist und nicht den Kern des Problems beschreibt. Bei der Suche nach den Ursachen rät er dazu, nicht allein die Beanspruchung im Job zu betrachten, sondern auch die familiäre Situation. Nach seinen Erfahrungen führt meist ein Gemisch aus privaten und beruflichen Überforderungen zur persönlichen Krise. Sich von Woche zu Woche hangeln und lediglich mit der Perspektive auf das eine oder andere schöne Wochenende zu leben, sei auf Dauer keine Lösung.
So sehr Computer heute zum Standard in jedem Unternehmen gehören, so haben auch im gleichen Maße die Mitarbeiter mit den Folgen zu kämpfen, sagt der 62-Jährige. Zahlreiche Beschäftigte klagen über Verspannungen der Muskulatur, Kopf- und Gliederschmerzen.
Doch nicht nur Mitarbeiter mit solchen Beschwerden kommen zu ihm, sondern auch solche, die ihr Sehvermögen überprüfen lassen möchten. Da Computer „nun mal nicht mehr wegzudenken sind“, rät er dazu, den Umgang mit der Technik zu überdenken und den Standard zu überprüfen.
Pausen einlegen und kleine gymnastische Übungen am Arbeitsplatz zwischenschalten seien Verhaltensregeln, die jeder berücksichtigen könne. Gemeinsam mit den Firmen überlegt er, ob ein PC-Arbeitsplatz auch den Erfordernissen und Vorschriften entsprechend eingerichtet ist. Hier sieht Dr. Rack bei den Betrieben noch einigen Nachholbedarf.