Brüssel. Scheitert der geplante Schuldenerlass, scheitert auch das zweite Notkredite-Paket. Dann droht dem Staat die ungeordnete Pleite – ein Horrorszenario.

Griechen und Europäer müssen bis Ende dieser Woche bangen. Erst dann werden sie wissen, ob genug Banken und andere private Gläubiger freiwillig bereit sind, Griechenland massiv Schulden zu erlassen – oder ob dem Staat die ungeordnete Pleite droht.

Dieses Schreckensszenario könne im Euro-Währungsraum Schäden von mehr als einer Billion Euro verursachen, schätzt der internationale Bankenverband IIF. Dann müssten wohl auch größere klamme Euro-Länder wie Italien und Spanien um Notkredite bitten. Das würde die Schuldenkrise im Euro-Währungsraum drastisch verschärfen.

Druck auf Gläubiger

Aus Sicht von Branchenbeobachtern will der IIF-Verband, dem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann vorsteht, mit seiner Warnung den Druck auf die Privatgläubiger erhöhen: Möglichst viele sollen dem Schuldenerlass – ohne ihn scheitert das zweite Notkredite-Paket für Griechenland - zustimmen und nicht auf geringere Verluste spekulieren.

Noch bis Donnerstagabend haben Banken oder Versicherer Zeit, freiwillig auf insgesamt fast drei Viertel ihrer Forderungen gegenüber Griechenland zu verzichten. Auch Pharma-Unternehmen sollen mitziehen. Die griechische Regierung hatte einst unbezahlte Rechnungen staatlicher Krankenhäuser beglichen, indem sie mit Schuldverschreibungen (Staatsanleihen) „bezahlte“.

Schmerzhafter Schuldenschnitt

Einige Zusagen aus der Finanzbranche gibt es bereits, Griechenland Schulden zu streichen. Aus Deutschland sind die Deutsche Bank, die Commerzbank oder der Versicherungskonzern Allianz dabei. Commerzbank-Chef Martin Blessing sagte jüngst, die Teilnahme am Schuldenschnitt sei „ungefähr so freiwillig wie ein Geständnis in der spanischen Inquisition“.

Angepeilt ist ein Schuldenerlass von insgesamt 107 Milliarden Euro. Das soll Griechenland helfen, seinen Schuldenberg auf ein erträgliches Maß zu senken. Dazu müssen jedoch mindestens 90 Prozent der privaten Gläubiger mitziehen. Griechenland hat schon für den Fall vorgesorgt, falls weniger dazu bereit sind.

Zeit drängt

Banken oder Versicherer könnten dann dank spezieller Klauseln, die nachträglich in die entsprechenden Verträge eingefügt wurden, zum Schuldenerlass gezwungen werden. Dann würden Kreditausfallversicherungen von insgesamt wohl unter vier Milliarden Euro fällig. Hedgefonds, die sich zuletzt günstig mit solchen Versicherungen eindeckten, würden dann profitieren.

Verzichten weniger als zwei Drittel der Privatgläubiger auf ihre Forderungen, greifen die Umschuldungsklauseln nicht mehr. Die Folge wäre die gefürchtete ungeordnete Zahlungsfähigkeit des Mittelmeerstaats.

Die Zeit drängt. Griechenland braucht bis zum 20. März weitere Notkredite, um Zahlungsverpflichtungen von 14,5 Milliarden Euro erfüllen zu können. Bis dahin muss also das zweite Notkredite-Paket der Europäer und des Internationalen Währungsfonds IWF stehen.

„Öffentliche“ Gläubiger vom Schuldenerlass ausgenommen

Für die Notkredit-Geber ist wichtig, dass genügend private Gläubiger auf einen ausreichend großen Teil ihrer Forderungen verzichten. Schließlich haben die Europäer und der IWF den Schuldenerlass von 107 Milliarden Euro vorausgesetzt, als sie die Höhe ihres nötigen zweiten Notkredite-Pakets für Griechenland berechneten: 130 Milliarden Euro. Die Notkredit-Geber halten den Staat seit Mai 2010 mit Notkrediten finanziell über Wasser. Ihr erstes Notkredite-Paket ist 110 Milliarden Euro schwer.

Griechenland schuldet nicht nur privaten, sondern auch öffentlichen Gläubigern viele Milliarden Euro. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte griechische Schuldenverschreibungen (Staatsanleihen) im Wert von insgesamt 55 Milliarden Euro besitzen. Auch die die bisher nach Athen geflossenen Notkredite der Europäer und des IWF im Volumen von fast 100 Milliarden Euro muss Griechenland inklusive Zinsen zurückzahlen. Die „öffentlichen“ Gläubiger sind jedoch vom anvisierten Schuldenerlass ausgenommen.