Schwerte. .

Im Klassenraum 101 des Ruhrtalgymnasiums machen jeden Nachmittag Jungen und Mädchen aus Angola und Syrien, Tunesien und Iran ihre Hausaufgaben. Sie kommen – meist – freiwillig und bringen auch ihre Freunde mit. „Wir haben noch keinen nach Hause geschickt“, sagt Agnes Marks, die vor zwölf Jahren die Hausaufgabenbetreuung für Flüchtlingskinder aufbaute.

Zehn Erwachsene sind es mittlerweile, die an fünf Tagen in der Woche für zwei Stunden den Kindern und Jugendlichen helfen, die Matheaufgaben zu lösen, Rechtschreibfehler zu vermeiden, die richtigen Ausdrücke in Englisch zu finden. Als Agnes Marks im Jahr 2000 zum ersten Mal zur Hausaufgabenbetreuung einlud, hatte sie nur ihre 15-jährige Tochter als Helferin an der Seite. Der Gemeinschaftsraum im Übergangsheim an der Schützenstraße war damals zweimal in der Woche für zwei, drei Stunden für die Kinder reserviert.

Zwei Jahre später kamen weitere Frauen und Männer dazu. Die Ehrenamtsbörse half bei der Mitarbeitersucher. Damit war es dann auch möglich, die Hausaufgabenbetreuung auf fünf Tage die Woche auszuweiten. Der Bedarf war da. Die Eltern, die meist kein Deutsch sprachen, verstanden nicht, was ihre Kinder lernten und konnten nicht helfen. „Wir gucken ja auch nicht nur, ob die Aufgaben richtig gemacht wurden, wir erklären ja auch, wie und warum es so richtig ist. Und wenn dann nach einer halben Stunden die Augen glänzen und man merkt, wie der Groschen gefallen ist, ist das eine schöne Bestätigung“, sagt Werner Kiesheyer. Der ehemalige Ingenieur ist fürs Rechnen zuständig und bildet mit Ulla Weiß am Dienstagnachmittag das Team. Weiß war Lehrerin, andere sind MTA und Metallografin, Reno-Fachangestellte und Hausfrau. Die Erwachsenen erhalten Unterstützung durch Firmbewerberinnen und -bewerber, die ihr soziales Praktikum bei der Hausaufgabenbetreuung machen. „Einige von ihnen bleiben auch anschließend noch lange dabei“, erzählt Agnes Marks. Sie selbst hat sich seit einiger Zeit aus dieser Arbeit ein wenig zurückgezogen, ist nur noch im Einsatz, wenn Personalmangel herrscht.

Aber den Umzug hat sie organisiert. Als die Stadt das Übergangsheim aufgab und zum Verkauf anbot, war die Hausaufgabenbetreuung selbst auf Hilfe angewiesen. Ein mietfreier Raum musste her, sollte das Angebot nicht enden. Die Schulleitung des RTG bot das Klassenzimmer 101 an. „Das ist sehr zentral und auch der Name Ruhrtalgymnasium zieht die Kinder an“, sagt Agnes Marks. Auch eine erst zögerliche Mutter habe zugestimmt, ihr Kind zur Hausaufgabenbetreuung zu schicken, als sie hörte, der Ort sei ein Gymnasium.

Umgangssprache Deutsch

Die Jungen und Mädchen machen ihre Schularbeiten für die Grundschule, die Hauptschule und die Realschule. Umgangssprache am Nachmittag ist Deutsch. Kommt eine neue Schülerin, die kein Wort Deutsch spricht, können häufig andere Kinder übersetzen. Klappt das nicht, gibt es noch Wörterbücher, die Hände und Gesten. „Sie glauben gar nicht, wie schnell Kinder lernen“, sagt Ulla Weiß.

Sind die Hausaufgaben erledigt und es bleibt noch Zeit, werden Spiele ausgepackt. Auch das übt das Sprechen und Verstehen ungemein und die meisten der 15 Jungen und Mädchen bleiben dafür im Klassenraum sitzen. Jeder kann während der zwei Stunden kommen und gehen wann er will, muss sich jedoch an Umgangsformen halten. Das ist den Erwachsenen wichtig. Dazu gehören Begrüßung und Verabschiedung und am Ende der Zeit das Aufräumen des Zimmers.

So gerne die meisten Kinder zur Hausaufgabenbetreuung kommen, einen Termin will niemand verpassen: den letzten Tag vor den großen Ferien. „Dann gehen wir immer zusammen Eis essen“, sagt Agnes marks. Und das wird dieses Jahr nicht anders sein.