Schwerte. Firmen beklagen fehlende Qualifikationen der Jugendlichen, die jungen Leute halten manche Ansprüche für überzogen. Die Wahrheit liegt in der Mitte, sagt Stefan Steinkühler von der Arbeitsagentur.

. Eine Metallfirma, die nur mit Mühen einen geeigneten Auszubildenden findet, eine Geldinstitut, dem es erst nach mehreren Anläufen gelingt, die noch freie Azubistelle zu besetzen oder die Elektrofirma, bei der eine Lehrstelle frei bleibt. Die drei Beispiele stammen aus dem zurückliegenden Ausbildungsjahr, in dem aber auch manche Jugendliche monierten, die Firmen würden mit viel zu hoch gesteckten Erwartungen den Bewerbern entgegentreten. Welche der beiden Seiten hat nun Recht? Sind die Leistungen der jungen Leute wirklich so miserabel, dass viele der Schulabgänger keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben oder warten die Unternehmen, wenn sie ehrlich sind, eher auf einen Gesellen denn auf einen Lehrling?

Die Antwort, so sagt Stefan Steinkühler, Bereichsleiter Berufsberatung und Arbeitgeber-Service, „liegt wie so oft in der Mitte“. Um den Wandel auf dem Ausbildungsmarkt an einem signifikanten Beispiel darzustellen, greift er das Kfz-Gewerbe heraus. „Früher erlernte man den Beruf des Kraftfahrzeugmechanikers, heute sprechen wir von Kraftfahrzeugmechatroniker“. Die Umbenennung sei keine Wortklauberei, sondern zeige sehr deutlich die Veränderung des Berufsbildes an. Es sind nach seinen Worten nicht mehr allein Kenntnisse in der Mechanik gefragt. Selbst die erfordern schon ein hohes Maß an Wissen, betont Steinkühler. Es sei auch noch die Elektronik hinzugekommen. Dieser Zuwachs an notwendigen Qualifikationen lasse sich auch für andere Berufe ausmachen. Der Elektriker sei heute der Elektrotechniker, der mehr als nur Kabel verlegen müsse. Hochkomplexe Schaltsysteme zu durchschauen und zu konstruieren, gehöre unter anderem zu seinen Aufgaben. Im kaufmännischen Bereich seien durch die ausgefeilten PC-Anwendungsprogramme die Ansprüche ebenso gestiegen.

Während die Bewerber stets wachsenden Erwartungen gerecht werden sollen, beobachtet der Experte der Arbeitsagentur in den Unternehmen eine Entwicklung, die vor allem dem Kostendruck geschuldet ist: Vor allem kleineren und mittleren Betrieben fehle es an Zeit und Personal, um sich intensiv dem Thema Ausbildung zuwenden zu können. Nicht das Bemühen sei Mangelware, so betont Steinkühler, manche Firmen hätten nun mal nicht die Ressourcen, sich ausgiebig mit der Auswahl und der Schulung der jungen Menschen zu befassen.

Ausbildungshilfen

Im Schulterschluss mit dem TÜV Nord hat die Dortmunder Arbeitsagentur das Programm aufgelegt.

Jugendliche erhalten Nachhilfe in Fächern wie Deutsch, Mathe oder Englisch. Eine sozialpädagogische Begleitung des Auszubildenden ist ebenso möglich.

Es besteht die Wahl, die Nachhilfestunden während der Arbeitszeit zu organisieren. Sie können aber auch nach Feierabend stattfinden.

Derzeit werden im Bezirk der Agentur Dortmund (Lünen, Selm, Schwerte, Dortmund) 400 Jugendliche gefördert, das sind rund acht Prozent aller Auszubildenden aus dem Dortmunder Beritt.

Auf Seiten der Jugendlichen lasse sich eine eher bedenkliche Tendenz ausmachen. Wer heutzutage die Realschule beende und die Qualifikation für die Oberstufe erhalte, für den stehe oftmals nicht mehr zur Diskussion, sich um einen Lehrstelle zu bemühen. Die Erfahrung zeige aber, dass ein nicht zu unterschätzender Anteil derer, die auf einem Berufskolleg, einem Gymnasium oder einer Gesamtschule, die Hochschulreife erlangen wollen, sich mit den Anforderungen schwer tue. „Während die Jugendlichen auf ihrem Abschlusszeugnis der Realschule in allen Fächern eine Zwei hatten, verlassen die Klasse 12 mit deutlich schlechteren Noten“, so der Bereichsleiter. Die Unternehmen wiederum wären unter Umständen froh gewesen, wenn sie den Realschulabgänger, die Realschulabgängerin hätten direkt einstellen können. Die betroffenen Jugendlichen sei die Situation ohnehin bitter: Wenn sie sich jetzt um einen Ausbildungsplatz bewerben, bleibe ihnen keine andere Wahl, als die wenig schmeichelhaften Zeugnisse beizufügen.

Daher empfiehlt Steinkühler den jungen Menschen, es sich sehr gut zu überlegen, ob die Fortsetzung der schulischen Laufbahn wirklich der bessere Weg ist. Die Perspektiven, die sich mit und nach einer Lehre bieten, so betont er, dürften nicht zu gering geschätzt werden.

Firmen, die auf der Suche nach einem Bewerber, auf Kandidaten stoßen, die schulische oder soziale Schwächen aufweisen, sollten überlegen, ob ausbildungsbegleitende Hilfen in Betracht kommen (siehe Box). „Die bietet die Arbeitsagentur kostenlos an.“

Die Handwerkskammer zu Dortmund:

Das Spannungsverhältnis zwischen Erwartungen der Unternehmen und den Leistungen der Bewerber sei zwar nicht grundsätzlich neu, sagt Martina Schmidt von der Abteilung Berufsbildung der Handwerkskammer Dortmund. Doch im Lichte des demografischen Wandels haben sich nach ihren Worten die Vorzeichen geändert: Die Zahl der Bewerber sei rückläufig, während der Umfang der Angebote auf einem gleich hohen Niveau bleibe. Die Firmen seien bei ihrer Auswahl eingeschränkt. Die Entwicklung und die damit verbundenen Schwierigkeiten „haben wir durchaus erkannt“, sagt Schmidt.

Fachleute der Kammer gehen in die Schulen, damit die „Jugendlichen sich keine Luftschlösser bauen“. Zugleich suche man den engen Kontakt zu den Betrieben. In Fällen, in denen Unternehmen Rückendeckung brauchen oder wünschen, „stehen wir ihnen zur Seite“. Es werde aber auch darüber gesprochen, ob die Anforderungen zwingend sein müssen oder ob sie sich zurückschrauben lassen. Im Bemühen um geeignete Bewerber müsse sich das Handwerk dem Wettbewerb mit der Industrie stellen, so Schmidt.

Die Industrie- und Handelskammer:

In einigen Branchen sei das Dilemma auf dem Ausbildungsmarkt durchaus zu spüren, sagt Georg Schulte, Sprecher der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund. In der Informationstechnologie und auch im Logistik-Bereich bereite es den Betrieben zunehmend Schwierigkeiten, Jugendliche mit adäquaten Leistungen zu finden. Es sei sogar hier und da schwierig, geeignete Fahrer zu finden.

Schulte berichtet darüber, dass manche Firmen, um überhaupt einen Auszubildenden zu bekommen, dazu übergegangen seien, Übernahmegarantien zu gewährleisten. Eine solche Absicherung war zu früheren Zeiten in einigen Wirtschaftsbereichen wie Kohle und Stahl üblich, doch das Blatt hat sich schon vor Jahren gewandelt.

Die Kammer habe sich aber schon eingehend mit den Schwierigkeiten beschäftigt und stehe mit den Unternehmen im engen Kontakt. Gemeinsam - mit Betrieben und Schulen -- müsse es darum gehen, Lösungen zu entwickeln.