Der Bundespräsident muss seinen Hut nehmen, findet jugend.ich Autor Julian Beimdiecke.

Kennen Sie Martin Sonneborn? Die meisten Politiker in Berlin und auch andere mächtige Leute werden ihn sicherlich schon registriert haben, ist der Satiriker doch dafür bekannt und gefürchtet, im Namen anderer Leute Fehlinformationen zu verbreiten. Mit der „Titanic“, einem Satiremagazin, erklärte er so schon Jugoslawien den Krieg oder lud Österreich auf internationalen Messen aus – natürlich alles im Namen Deutschlands.

Lachen oder Weinen?

Jetzt frage ich mich, was wohl „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann dachte, als er auf seiner Mailbox einen Anruf von Bundespräsident Christian Wulff entdeckte. Zu Sonneborn und Co. oder zur versteckten Kamera hätte das gepasst, aber der höchste Mann im deutschen Staat ruft doch nicht höchstpersönlich und völlig außer Kontrolle bei einer Zeitung an, die den Bürgern Fehler des Betroffenen in der Vergangenheit offenbaren wollte. Ich wüsste gerne wie lange es gedauert hat, dass dieses an Professionalität kaum zu unterbietende Verhalten wirklich dem Bundespräsidenten zugerechnet werden konnte. Und ob Diekmann mehr zum Lachen oder zum Weinen zumute war.

Entschuldigung fällig

So oder so, die Verkaufszahlen schnellten in die Höhe. Doch das wären sie sicherlich auch, wenn es nur bei der Kreditaffäre geblieben wäre. Auch dafür hätte Wulff Kritik bekommen. Zu Recht, wobei diese in meinen Augen noch verzeihbar ist. Die feine englische Art war es ganz sicher nicht, aber wir sind alle keine Engel, besonders Politiker nicht. Und seien wir doch mal ehrlich: Wulffs größte Kritiker nutzen die ganze Situation aus, um parteipolitisch Nutzen aus der Affäre zu ziehen und schreien nach Rücktritt – egal ob er jetzt nötig ist oder nicht.

Was man dann aber von einem Bundespräsidenten erwarten sollte, ist, dass er zu seinen Fehlern steht, sich entschuldigt. Dann wäre die Sache auch nach kurzer Zeit vom Tisch gewesen – die Boulevardpresse wird sich den nächsten suchen, den man öffentlichkeitswirksam demontieren kann. Die Veröffentlichung aber verhindern und somit die Bürger belügen zu wollen, ist eine bodenlose Unverschämtheit, und in keinster Weise zu rechtfertigen.

Häppchenweise neue Fakten

Doch damit nicht genug. Auch nachdem letztendlich alles doch herausgekommen war, kommen häppchenweise neue Fakten auf den Tisch, die Wulff alle zurückhalten wollte, weil sie ihn geschwächt hätten. Wulff möchte in der Öffentlichkeit ein Bild von einem Politiker ohne Fehl und Tadel abgeben – blöd nur, dass das Gegenteil der Fall ist. Normalerweise nennt man dieses Verhalten „verarschen“, auch wenn es ein Ausdruck ist, der in der Zeitung normalerweise nicht vorkommen sollte.

Was der Bundespräsident sich leistet, ist unverschämt. Und wenn dann Durchhalteparolen wie „In einem Jahr ist alles vergessen“ kommen, zeigt das nur, dass Wulff seine Fehler nicht korrigieren bzw. ausräumen möchte, sondern dass es ihm nur um sein Ansehen geht und er rein gar nichts aus der Sache gelernt hat.

Um einmal im Bild zu bleiben: Wulff hat seinen Kredit verspielt und muss zurücktreten. Stattdessen klebt er an seinem Stuhl. Was für eine Farce für Deutschland.