Werdohl. .

Der Frau, die sich bereit erklärt, ihm Modell zu sitzen, würde Oguzhan Oral beinahe den Himmel zu Füßen legen, denn sie ist der Schlüssel für seine Zwischenprüfung.

Es gibt Berufe, in die steigen überwiegend Frauen ein. Der Friseurberuf zum Beispiel. Oguzhan Oral ist jedoch ein Mann – und inzwischen im zweiten Lehrjahr. Dabei hatte es sich zum Ende seiner Realschulzeit in vielen Firmen im Elektronik- oder Metall verarbeitenden Bereich beworben. „Ich hatte Vorstellungsgespräche“, erläutert der 18-Jährige, „schnitt bei Einstellungstest durchaus gut ab und habe viele Leute dort auch überzeugt.“

Der Weg in den Friseurberuf war dann zwar ungewöhnlich, mit Blick auf Oguzhan Orals Hintergrund aber auch wieder nicht: Seine Mutter Ayla betreibt einen Friseursalon an der Sandstraße. „Mein großer Bruder ist Werkzeugmechaniker, mein kleiner Bruder geht noch zur Schule und hat noch einen weiten Weg vor sich. Da hab ich mir überlegt, in Mamas Fußstapfen zu treten und das Geschäft eines Tages weiterzuführen.“

Bis es allerdings soweit ist, schaut ihm seine Mutter aber im wahrsten Sinne des Wortes kritisch auf die Finger, sie ist nämlich seine Ausbilderin, und der Friseurberuf will ordentlich gelernt sein. „Es ist nicht so leicht, wie es aussieht’“, beschreibt Oguzhan Oral. Man brauche Fingerfertigkeit, eine Art Kreativität und Vorstellungsvermögen.

Er gibt zu, in der ersten Zeit unsicher gewesen zu sein, ob Friseur wirklich sein Beruf gewesen sei, aber inzwischen ist er sich sicher und steht voll und ganz hinter seiner Entscheidung: „Es macht Spaß und läuft wirklich gut ab.“

Den Stempel, als Mann eher ein Exot im Friseurberuf zu sein, hat er des öfteren aufgedrückt bekommen. Doch seine Berufsschulklasse zeigt: Er ist nicht allein. Im Berufskolleg in Lüdenscheid sitzt er mit sechs Jungen und 22 Mädchen in der Klasse. Auch seine Freunde unterstützen ihn, wo sie nur können: zum Beispiel, in dem sie ihm Modell sitzen. Denn eines ist kurz vor Ende des zweiten Lehrjahrs für Oguzhan Oral enorm wichtig: „Üben, üben, üben.“

Zum Waschen, Schneiden und Fönen stehen auch seine Kolleginnen im Salon und Frauen seiner Familie zur Verfügung. Sogar Haare färben darf er bei der einen oder anderen üben. „Wenn es aber ans Thema Locken geht, machen sie alle einen Rückzieher“, bedauert der angehende Friseurgeselle.

Deshalb sucht er jetzt eine Frau, die älter als 18 Jahre ist und deren Haar in etwa schulterlang ist und weder gefärbt noch mit Strähnchen verziert ist. „Es muss komplett naturbelassen sein“, betont Oguzhan Oral. Da steht nämlich leichte Umformung auf dem Prüfungsplan, sprich Locken durch Dauerwelle. Wer also heute schon weiß, dass sie am 29. April und 6. Mai Zeit hat, sollte sich bei ihm melden. An einem dieser beiden Sonntage hat Oguzhan Oral seine Prüfung. An welchem genau, steht noch nicht fest. Melden sollte sich das Modell so schnell wie möglich, denn Oguzhan Oral muss speziell an ihrem Kopf viel üben. „Da geht es um die richtige Wickeltechnik, denn das Aufdrehen will geübt sein.“ Fixiert wird die Dauerwelle jedoch erst im Mai. Bis dahin wird nur – für Oguzhan Oral am liebsten zweimal pro Woche – aufgedreht. Den Grundschnitt sowie die Locken erhält das Modell zum Dank kostenlos. „Hauptsache, sie eignet sich“, ist Oguzhan Orals größte Sorge. Doch unterm Strich ist er zuversichtlich: Seine Mama überwacht die Vorbereitung, und wenn alles gut geplant ist, wird auch der Ablauf funktionieren.