Nachrodt. .
Jeden Tag blickt Michael Funnemann im Büro auf die Collage mit Muschelfotos, die er auf dem Jakobsweg in Richtung Santiago de Compostela gemacht hat. 800 Kilometer legte der 40-jährige Opperhusener in vier Wochen zu Fuß zurück. Man könnte meinen, dass so eine Reise viel Kraft kostet. Michael Funnemann aber fühlt sich seither gestärkter denn je: Denn Pilgern ist mehr, als eine stramme Wanderung.
Ein Nachrodter inspirierte zur Reise
Als der Nachrodter Michael Murza vor einigen Jahren im Haus Lennestein von seiner Reise auf dem Jakobsweg erzählte, war in Michael Funnemann die Neugierde geweckt. Eine Fernseh-Reportage und Hape Kerkelings Bestseller schürten seine zunehmende Begeisterung für eine Pilgerreise. Am 4. April 2011 brach Michael Funnemann auf. 14 Kilo Gepäck trug er im Rucksack, als er in Düsseldorf die Maschine in Richtung Bilbao nahm und mit dem Zug zurück in Richtung Frankreich fuhr. Die Pilgerreise selbst begann schließlich in Saint-Jean-Pied-de-Port. „Da ist vor ein paar Jahren auch Hape Kerkeling aufgebrochen“, erklärt Michael Funnemann.
Nicht ein massiver Pilgerstab, sondern leichte Nordic Walking-Stöcke zählen heute zu den unverzichtbaren Hilfen auf der Route. Dazu kommt Wasser, Tagesverpflegung, Wechselwäsche – viel mehr braucht ein Pilger nicht. Wie fast alle Reisende auf dieser Route trennte sich Michael Funnemann schnell von sämtlichem unnützen Ballast. Luxus erfuhr er trotzdem im Überfluss: Es waren die Begegnungen, die ihn reich fürs Leben gemacht haben.
Nie hätte Michael Funnemann sich träumen lassen, wie leicht es doch ist, seine Mitpilger wiederzufinden: „Wir treffen uns im nächsten Ort in der ersten Taverne auf der rechten Seite. In jedem Ort auf der Route gibt es diese Gaststätten.“ Die Pilger rasten gemeinsam und teilen das Essen aus dem Rucksack. Dabei kommt man ins Gespräch.
Getroffen hat Michael Funnemann Menschen von allen Kontinenten. Dabei waren auch Juden, Buddhisten und Atheisten. „Alle erwarten etwas auf diesem Weg“, hat Michael Funnemann festgestellt. Viel Freude und Leid hat er mit vermeintlich fremden Menschen geteilt. „Als Pilger gibt man sehr schnell etwas von sich preis.“
Man ist dort weder einsam, noch allein
Solche Erfahrungen lehrten den Nachrodter schnell: „Man ist dort weder einsam, noch allein.“ Auch lange Tages-Etappen – eine Strecke ging Michael Funnemann 48 Kilometer am Stück – können gefahrlos genommen werden. „Irgendjemand hilft Dir immer.“
Michael Funnemann nutzte die Zeit des Pilgerns auch zur inneren Einkehr. Aus seiner Heimat hatte er einen Stein mitgebracht. Am Cruz de Ferro, dem Eisenkreuz am Monte Irago, hat er ihn abgelegt. Viele Pilger tun das an dieser Stelle. „Mit dem Stein lässt man viele Sorgen zurück.“
Ein Erlebnis, das den Pilger am meisten beeindruckte, war das Osterfest in einem Benediktiner-Kloster. Von Gründonnerstag bis Ostersonntag nahmen die Mönche ihn auf. Eine tolle Abwechslung während der Reise in den einfachen Pilgerunterkünften.
Nach vier Wochen war Michael Funnemanns Pilgerausweis vollgestempelt und die Kathedrale in Santiago de Compostela näherte sich unaufhaltsam. Auf dem Platz fiel Michael Funnemann auf die Knie und weinte. „Das ist der Moment, in dem man kein Pilger mehr ist.“ Aus jedem, der den Schritt tut, sprudelt ein Quell der Freude und Erleichterung. Michael Funnemann zehrt bis heute davon. Und er möchte das Erlebnis teilen: Im kommenden Jahr fährt er mit seiner Lebensgefährtin für eine kürzere Reise noch mal zum Jakobsweg. Der Flug ist schon gebucht.