Lünen. .
Die Nazi-Szene in Lünen wird zahlenmäßig zwar als überschaubar eingeschätzt, aber dennoch als so handlungsfähig, dass sie jederzeit zu eigenen Aktionen fähig ist bzw. rechtsextreme Aktionen in den umliegenden Städten unterstützen kann. Den gesellschaftlichen Herausforderungen, die sich daraus ergeben, will sich nun das Lüner Bündnis gegen Rechts stellen.
Mit diesem Ergebnis endete am Dienstagabend das zweite Zusammentreffen von Menschen, die nicht länger den braunen Umtrieben in ihrem Umfeld zusehen möchten. Mehrfach kam es in der Vergangenheit zu Nazi-Schmierereien im Stadtgebiet. Unter anderem.
Über 70 Menschen kamen ins Rathaus
Vereinbart wurde am Dienstag die Bildung einer Steuerungsgruppe, in der das weitere Vorgehen gegen Rechts abgesprochen werden soll. Ihr werden Vertreter der Parteien und Verwaltung, der evangelischen und katholischen Kirche, von DGB und Friedenskreis sowie des Integrationsrates bzw. der Migranten-Gruppen angehören.
Über 70 Menschen waren dem Aufruf zum zweiten Treffen ins Rathausfoyer gefolgt. Das sind etwas mehr als bei der ersten Zusammenkunft, wobei am Dienstag sogar noch Personen entschuldigt fehlten, die ihr Engagement gegen Rechts zuvor bereits fest zugesichert hatten. Initiator und SPD-Landtagsabgeordneter Rainer Schmeltzer bedauerte jedoch, dass auch diesmal kein Vertreter des organisierten Sports in Lünen erschienen war.
Wie Schmeltzer erklärte, geht der NRW-Verfassungsschutz in seinem Bericht für 2010 von über 4000 aktiven Nazis im Land aus. „Das sind nur die namentlich bekannten“. Von der Antifa aus Lünen habe er detaillierte Kenntnisse auch über die heimische Szene erhalten. Man habe vereinbart, miteinander in Kontakt zu bleiben. „Es ist richtig, die Erfahrung der Antifa weiter zu nutzen“, so Schmeltzer.
Er wie auch Pfarrer Friedrich Stiller, der als Sprecher des Dortmunder Arbeitskreises gegen Rechts eingeladen war, um über seine Erfahrungen dort zu sprechen, schilderten, wie sehr sich die Szene in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Nicht mehr die äußerlich leicht einzuordnenden Skinheads bestimmten das Geschehen. Es seien zunehmend junge, aktions-orientierte Menschen, die sich in so genannten Freien Kameradschaften organisieren oder als Nationale Autonome unterwegs sind.
Ein NPD-Verbot übrigens, so der Exkurs von Pfarrer Stiller in die bundesweit laufende Diskussion, löse seiner Meinung nicht die Probleme vor Ort, weil die Nazis, von denen die aktuellen Konflikte ausgehen, meist überhaupt nicht in der Partei organisiert seien.
Wie sehr das alles in Lünen ein Thema und wie breit gefasst die Problematik ist, ging aus den Schilderungen von Werner Tischer und Horst Störmer hervor. Jugendliche trügen ihre rechten Embleme offen zur Schau. Er bekomme fast täglich subtile, gehässige und bösartige Hetze gegen Migranten, Asylbewerber und Hartz IV-Empfänger mit, berichtete Tischer. „Da wird einem schlecht, und das macht mir Angst.“
Es sind aber nicht nur junge Menschen. Horst Störmer, Vorsitzender des Stadtverbandes für Heimatpflege, erzählte von Schmähungen gegen seine Person, weil er die Übergabe der Einbürgerungsurkunde regelmäßig auf der Gitarre begleitet. „Ich rede von den Älteren“. Fremdenfeindlichkeit sei die Einstiegsdroge in den Rechtsextremismus, ordnete Pfarrer Stiller die Bedeutung solcher Schilderungen ein.
Das Lüner Bündnis werde sich seinen eigenen Weg gegen die rechten Umtriebe suchen müssen, erklärte Stiller. Erfahrungen aus dem Dortmunder Engagement erlaubten immerhin Handlungsempfehlungen. Dazu zähle neben der Steuerungsgruppe vor allem eine deutliche Positionierung in der Öffentlichkeit. Die Bürger müssten immer wieder informiert und mitgenommen werden. Ein Bürgerforum funktioniere zwar in Dortmund (noch) nicht, sei aber zu begrüßen.
Auch die Stadt müsse aktiv werden. Gemeinsam müsse ein lokaler Aktionsplan mit Zielen aufgestellt werden, der auch konkret auflistet, was zu tun ist, wenn es beispielsweise zur Nazi-Demo oder zu Schmierereien kommt.
Die Lüner sollten sich auch mit den Aktivisten gegen Rechts in den umliegenden Städten vernetzen – um sich über die Entwicklung der Nazi-Szene auf dem Laufenden zu halten und gegebenenfalls gemeinsam dagegen vorgehen zu können. Pfarrer Volker Jeck schlug ferner Mailinglisten und Telefonketten vor, um schnell reagieren zu können.
Die neu gebildete Steuerungsgruppe wird sich damit nun befassen.