Hagen. .

Lebensbeichte post mortem: Im Prozess gegen Pasquale B. und Mario L., die den Neuenrader Michael P. mit der Ermordung eines Kölner Gastwirts beauftragt haben sollen, wurden gestern vor dem Hagener Schwurgericht erste Videoaufzeichnungen von polizeilichen Vernehmungen des Kronzeugen gezeigt. P. hatte sich wenige Stunden vor seiner geplanten Aussage in einer Zelle der JVA Wuppertal umgebracht.

Es war eine ungewöhnliche, fast unheimliche Situation. Über einen Beamer wurden erste Sequenzen der Aussagen des Toten an die Wand des Schwurgerichtssaals projiziert – hinter der Anklagebank. Zu sehen der Mann, der in der Nacht auf den 17. November erst Waschmittel geschluckt, dann seine Pulsadern aufgeschnitten und zuletzt, scheinbar um sicher zu gehen, seinen Gürtel genommen und sich damit an einem Regal aufgehängt hatte. Michael P. (49) wurde am Morgen tot in seiner Zelle aufgefunden.

Umso größer der Kontrast im Vergleich zu dem Mann, der nun auf der Leinwand erscheint – eine Aufnahme vom 27. Juni dieses Jahres. P, der bequem auf einem Stuhl sitzt und fast gelassen wirkt, als er den beiden Polizeibeamten ihm gegenüber und der Kamera seine Geschichte erzählt – angefangen mit einer unschönen Jugend in der DDR und seinem Job als Seemann. P. redet gerne und viel, neigt zu Abschweifungen.

Er scheint sein Publikum zu genießen. Ausführlich berichtet er von der Stasi, die ihn anwerben wollte, vom Selbstmord seines Bruders und davon, wie er letztlich den Entschluss gefasst habe, aus der DDR zu flüchten. Er schildert seine Anfangsjahre in der BRD – Modelljobs, Kontakte, Beziehungen zu Frauen und erste Straftaten, darunter etliche Banküberfälle in Lüdenscheid und im Osten, Einbrüche in Halver und Kierspe. Den ersten Kontakt zu der Familie des angeklagten Pasquale B. datiert er auf 1993. Mit dessen Bruder will der Neuenrader Banküberfälle ausbaldowert haben, für diesen Bruder in Altenheimen im Märkischen Kreis und Umgebung Pässe, Sparbücher und Rentennachweise alter Menschen gestohlen haben. Wofür, so sagt er, weiß er nicht. Den Mord in Köln thematisiert er noch nicht. Das soll später folgen.

Aber bereits jetzt versichert er: „Ich will aufräumen, niemanden zu Unrecht belasten. Ich habe keine Rachegefühle. Ich versuche, mein Leben aufzuarbeiten – eine 20-jährige kriminelle Karriere.“ Sein Auftreten verärgert die Familien der Angeklagten sichtlich.

Teil II seiner Aussage soll zu einem späteren Zeitpunkt in den Prozess eingeführt werden. Die Verteidiger beschäftigten das Gericht unter anderem mit Aussetzungsanträgen, forderten umfängliche Akteneinsicht und Zeit, um die Aktenberge zu sichten.

Auch steht ein Befangenheitsantrag gegen die Kammer im Raum.