Lüdenscheid. .

Junge Frauen, sprachlos in Lüdenscheid: „Ich kam mir vor wie eine Taubstumme!” Eine andere fand Kohlrouladen sehr merkwürdig. Eine andere kämpfte leidenschaftlich um ihren Führerschein. Sehr persönlich wurde es am Donnerstagabend in den Museen. In der Reihe „50 Jahre türkische Migration” wurden Biographien von fünf türkischen Frauen von Ayse Aydin (Werdohl) vorgelesen.

Barbara Funke von der VHS Lennetal begrüßte die Gäste und informierte über die Geschichtswerkstatt, der die Lebensläufe entstammten.

Hacer Breil fand viele Gemeinsamkeiten in den Schilderungen zum Kampf der 1. Generation, gerade der Frauen („Damals mussten wir arbeiten ..., wir durften nichts!”)

„Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“

Leider, und eigentlich unverständlich, zeigten nur wenige Gäste Interesse an dieser informativen wie anrührenden Veranstaltung im Museums-Café, obwohl, so Bernd Grünwald, der Märkische Kreis tüchtig geworben hatte.

Grünwalds Kollegin Katja Fall zitierte Max Frisch: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen!”, ging noch einmal auf die Entwicklung der Einwanderungen seit den 50-er Jahren ein. Von 2,7 Mio. Bewerbern wurden 750.000 angenommen, die Hälfte blieb lange. Nicht nur in der kleinen Fotoschau „Von Istanbul nach Balve” zeigte sich, dass der Kontakt der „ersten Türken” mit den Deutschen offensichtlich individueller und netter war als später.

Lag das an den vielen Türken, die kamen? Am Rückzug in die „Community”, die Ghetto-Bildung in den Orten? Am Rückzug von draußen nach drinnen, bedingt durch das Fernsehen?

Familien wurden schmerzhaft auseinander gerissen

Auch in den Biographien zeigte sich, dass die Deutschen anfangs besonders den nachgezogenen jungen Frauen freundlich waren: „Sie behandelten mich wie eine eigene Tochter”, “Wir sahen zusammen fern” oder „Sie halfen mir”. Auch in den Firmen war wohl der Zusammenhalt größer: Man feierte Weihnachten zusammen.

Dass die Familien durch die Arbeit der Eltern in Deutschland oft schmerzhaft auseinander gerissen wurden - ein bisher gar nicht so wahrgenommener Aspekt.

Immer wieder wird von Kindern berichtet, die zu Verwandten in die Türkei gegeben werden, sich dort an Omas und Tanten als Mutterersatz gewöhnen und, zurück nach Deutschland, frustriert sind. Da muss dem Söhnchen immer eine Kassette mit der Stimme der Tante vorgespielt werden, damit er nicht so schreit. Was haben diese Trennungen und Verwirrungen wohl in den Kindern angerichtet?

Das Menschliche im Vordergrund

Eine weitere Zeitzeugin zeigte sich nach der Lesung erstaunlich integriert von Beginn an: Die 48-jährige Cid Woska und ihre Familie sieht nach wie vor das Menschliche im Vordergrund.

Sie gibt zu bedenken, dass sich in Deutschland, aber auch in der Türkei, vieles anders entwickelt hat, was aber in den paar Wochen Ferien der Deutsch-Türken oft nicht bemerkt werde., Zwei ältere Türkinnen, Freundinnen in Deutschland seit 45 Jahren, berichteten eindrucksvoll von ihrem Leben: „Das Sprechen ist alles, und Selbermachen” als Einsicht. Unsicherheit: Eigentlich wollten sie ganz in die Türkei zurückkehren, doch: „Hier sind unsere Kinder und Enkel!”

Nach der Lesung konnten Fragen aus dem Publikum gestellt und, bei Tee und Naschereien, miteinander geplaudert werden.