Bergkamen..
Die Gefahren, die von den Neo-Nazis ausgehen, haben nach Aufdeckung der Mordserie quer durch die Republik eine völlig neue Dimension erhalten. Auch die Nachrichten vor Ort wirken alles andere als beruhigend.
So hat sich der NPD-Kreisverband Unna/Hamm mit Mitgliedern und Aktivisten in Bergkamen nach Erkenntnissen der beiden Experten Dieter Frohloff und Johannes Böing von der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg in jüngster Zeit radikalisiert.
Der Kreisverband arbeite mit den autonomen Nationalisten aus Dortmund und Hamm sowie dem sogenannten „Nationalen Widerstand“, parteiunabhängig agierenden Neonazis, zusammen. Es habe sich ein Generationenwechsel vollzogen, weg von alten Strukturen, hin zu erlebnisorientierten Aktionsformen, erläuterten beide die lokale Lage in der jüngsten Sitzung des Bergkamener Arbeitskreises gegen Rechts. Nach längerer Pause ist er wegen der Brandstiftungsserie eines ehemaligen NPD-Mitglieds jetzt wieder zusammengetreten.
Begünstigende Faktoren, die Jugendliche in die rechtsextreme Szene führten, seien natürlich der Kontakt zu Rechtsextremisten, die ihnen den Wunsch nach besonderen Erlebnissen und Spaß erfüllen. Die jungen Leute, die den Neo-Nazis auf den Leim gehen, haben nach den Erkenntnissen der Rechtsextremismusberater ein auf den ersten Blick erstaunlich geringes Selbstvertrauen. Das wurde ihnen oft schon früh durch Gewalt- und Ohnmachtserfahrungen, auch in den eigenen Familien, genommen. In der Erziehung fehle es den jungen Männern in der Regel an einem männlichen Vorbild. Auf dieser Grundlage entwickelten sich rassistische Vorurteile, die durch persönlich wahrgenommene Perspektivlosigkeit verstärkt werden.
Die Attraktivität der rechten Szene sei bestimmt durch Freizeitangebote und einfache Erklärungen für komplexe Problemlagen, erklärten Dieter Frohloff und Johannes Böing. Der Ausstieg aus der rechten Szene sei aber möglich.
Dass es geht, hat sich vor rund zehn Jahren in Bergkamen gezeigt, als in einer konzertierten Aktion das Jugendamt die sogenannte „Wasserparkgruppe“, etwa 30 bis 40 Jugendliche, aus der rechtsradikalen Szene herauslösen konnte. Damals bestanden sehr intensive Kontakte zu Neonazis aus Hamm, die in Bergkamen ihren Nachwuchs rekrutieren wollten.
Ludger Kortendiek vom Jugendamt der Stadt Bergkamen erläuterte anschließend nochmals die Situation vor Ort. In Bergkamen gibt es nach den Kenntnissen des Rechtsextremismusbeauftragten der Stadt etwa eine Handvoll Neonazis. Sie seien allerdings nicht in der Lage, aus eigener Kraft Aktionen in Bergkamen durchzuführen.
Trotzdem oder um vorbeugend zu wirken vereinbarten die Teilnehmer des Arbeitskreises gegen Rechts, sich künftig wieder regelmäßig zu treffen. Ein nächster Termin ist für Februar oder März 2012 geplant. Hier sollen weitere Maßnahmen vorbereitet werden.
Bis dahin sollen alle weiterführenden Schulen in Bergkamen gefragt werden werden, ob sie einen Bedarf an unterrichtlichen oder außerunterrichtlichen Maßnahmen zum Thema „Rechtsextremismus“ und all seinen Schattierungen haben.