Essen. . Fritz Pleitgen war der Kragen geplatzt: „Dem Revier droht der Rückfall in die Provinzialität“, hatte der Ruhr 2010-Organisator gewettert. Und: „Hört bloß auf mit dem Kirchturmdenken.“ Ist die „Metropole Ruhr“ tatsächlich eine „Metropole Murks“? Die WAZ fragte Karola Geiß-Netthöfel, Direktorin des Regionalverbands Ruhr (RVR), und Ullrich Sierau (SPD), Oberbürgermeister von Dortmund, was sie zu Pleitgens Forderungen sagen.

Fritz Pleitgen war der Kragen geplatzt: „Dem Revier droht der Rückfall in die Provinzialität“, hatte der Ruhr 2010-Organisator gewettert. Und: „Hört bloß auf mit dem Kirchturmdenken.“ Ist die „Metropole Ruhr“ tatsächlich eine „Metropole Murks“? Die WAZ fragte Karola Geiß-Netthöfel, Direktorin des Regionalverbands Ruhr (RVR), und Ullrich Sierau (SPD), Oberbürgermeister von Dortmund, was sie zu Pleitgens Forderungen sagen.

Braucht das Revier einen Prominenten an der Spitze?

Von einem „Gesicht für das Ruhrgebiet“ will Ullrich Sierau nichts wissen: „Dieses Erlöser-Denken erinnert mich an den Fußball. Da war früher viel die Rede von Führungsspielern. Das ist antiquiert. Jogi Löw und Jürgen Klopp haben es begriffen, die setzen auf Teambildung.“ Ikea sei nach Dortmund gekommen, ohne das Werben eines Revier-Gesichts. Durch die „Symbolik eines Ruhrbarons“ komme das Revier nicht nach vorn.

Karola Geiß-Netthöfel hat indes die Rolle schon ein bisschen angenommen: „Ich bin kein Fritz Pleitgen oder Christoph Zöpel, aber ich bin eine Stimme für das Ruhrgebiet.“

Muss der RVR mehr Macht haben oder gar Bezirksregierung werden?

Einen bärenstarken RVR, der den Revierstädten sagt, wo es langgeht, den will Ullrich Sierau nicht. Die Runde der 15 Revier-Oberbürgermeister könne die Weichen stellen. Als Beweise nennt er die gemeinsame Umweltzone und den Kauf der Steag-Anteile („Ein industriepolitischer Coup“). Und für den „Einzelfall“, dass sich die OB mal nicht einig seien, dürfe man nicht „ein riesiges bürokratisches Monster schaffen“. Den RVR würde der Dortmunder lieber in der Rolle einer „Agentur für die Metropole Ruhr“ sehen. Eine, die Projekte von der Größenordnung der Kulturhauptstadt stemmt.

Karola Geiß-Netthöfel will ihn dennoch: den starken RVR: „Ich möchte, dass der Verband neue Kompetenzen bekommt. Er sollte sich nicht auf Sport, Tourismus und Kultur reduzieren lassen. Auch Wirtschaft und Verkehr gehören beim RVR wieder auf die Tagesordnung.“

Von einer richtigen „Bezirksregierung Ruhr“ hält sie allerdings nichts. „Dann kann man wohl nicht mehr vernünftig mit den Oberbürgermeistern über Gestaltung und Entwicklung reden. Eine Bezirksregierung hängt am Tropf von Düsseldorf. Sie ist der verlängerte Arm der Landesregierung. Wollen wir das wirklich?“, fragt Geiß-Netthöfel.

Sie bezweifelt aber, dass allein die lockere Runde der Oberbürgermeister geeignet ist, die vielen Probleme des Ruhrgebietes zu lösen: „Auch diese OB-Runde braucht Verbündete, und dazu zähle ich in erster Linie den RVR.“ Ihr Verband sei die „einzige Klammer der Region“, nur habe er die ganze Region im Blick. „Dafür ist ein einzelner Oberbürgermeister nicht gewählt. Zum Beispiel haben wir die Idee einer flächendeckenden Umweltzone angestoßen und moderiert.“

Wird das Revier noch zur Metropole wachsen?

Geiß-Netthöfel meint: Die Städte im Revier müssten künftig sowieso mehr zusammenarbeiten, ob sie wollten oder nicht. Den Erkenntnissen der RWI-Studie, die in der WAZ vorgestellt wurde, stimmt sie zu: Auch der RVR favorisiere eine neue Kultur der Kooperation, um die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes zu erhöhen und Lösungen für die Verkehrsproblematik auf der Straße und der Schiene zu finden.

„Neben der themen- und projektbezogenen Zusammenarbeit in der Region muss aber auch die Diskussion um die Entwicklung hin zu einer Metropole Ruhr fortgeführt werden. Nur ein starker, gemeinsamer Auftritt nach außen verschafft dem Ruhrgebiet ausreichend Aufmerksamkeit im Wettbewerb der Regionen.“

„Wir haben das Zeug zur Metropole“, sagt Ullrich Sierau. „Wichtig ist aber, dass man sich in der Nachbarschaft auf Augenhöhe begegnet.“