Ruhrgebiet. . In NRW dürfen Städte jetzt Zusätze auf ihre Ortsschilder drucken. Das lässt viel Raum für Fantasie - bei den Bürgern und der Verwaltung. Manche Kommunen wünschen sich aber lieber kein schmückendes Beiwerk auf den gelben Schildern. Doch welche Vorschläge haben eine Chance?
Eisleben hat jedenfalls absolut das Beste daraus gemacht, dass Martin Luther als Neugeborener, als Durchreisender und als Sterbender insgesamt bis zu drei Wochen in der Stadt war. Denn seit 1946 heißt die Kleinstadt in Sachsen-Anhalt „Lutherstadt Eisleben“, und „es gibt durchaus Leute, die davon angelockt werden“, sagt ihr Sprecher Maik Knothe.
Wir wissen nicht genau, ob man das auch sagen kann von der damaligen „Wilhelm-Pieck-Stadt Guben“, aber nun ist das Thema „Zusatz zum Ortsnamen“ auch im Ruhrgebiet gelandet. Denn seit letzter Woche dürfen NRW-Städte solche Zusätze auf ihre Ortsschilder drucken: etwas Besonderes oder etwas Historisches, um Reklame zu machen und den Lokalpatriotismus zu stärken. Seitdem regnet es Vorschläge: „Festspielstadt Recklinghausen“, „Herne Stadt der Spitzenmedizin“, „Familienstadt Gladbeck“, „Waldstadt Iserlohn“ . . .
Köln etwa und Essen wollen ihre Bürger dazu befragen, „Essen hat so viele Attribute, Einkaufsstadt, Energiestadt, Universitätsstadt“, sagt Sprecher Detlef Feige; „Lutherstadt Essen“ in Anlehnung an den Reichskanzler aus Essen unterschlägt er an dieser Stelle indes. Dumm nur, dass bei einer unrepräsentativen online-Umfrage die Mehrheit sich entschied für „Essen ist fertig“ – offenbar hat die Spaßfraktion da ebenso zugeschlagen wie bei diesem Vorschlag für Bochum: „Stadt des spukenden Konzerthauses“.
Doch im Ernst steckt der Teufel mal wieder im Detail. Etwas Besonderes soll es sein? Geht es nach den unabgestimmten Vorschlägen, die im Raum stehen, dann könnte ein Reisender bald in der „Hochschulstadt Mülheim“ starten, um dann die „Universitätsstadt Essen“ und die „UniverCity Bochum“ und die „Universitätsstadt Witten“ zu durchqueren und endlich in „Hagen Stadt der Fernuniversität“ zu landen. Es war ja auch wirklich ein langer Weg.
Davon ab, ist „Universitätsstadt“ sozusagen die Dutzendware unter den Alleinstellungsmerkmalen: „Universitätsstadt“ steht schon vor Koblenz und Marburg, Lübeck und Ilmenau, vor Landshut, Deggendorf, Weiden . . . und Siegen und Kleve wollen das jetzt auch noch.
Ob das überhaupt so kommt mit den Beifügungen, ist aber längst nicht ausgemacht. „Die Idee ist gut, die Umsetzung im Moment zu teuer“, sagt etwa Corinna Weiß für die Stadt Recklinghausen. Und „Kein Interesse“ verlautet knapp aus dem Büro des Bürgermeisters von Castrop-Rauxel; in Namensfragen reagiert die Stadt freilich immer etwas empfindlich. Wie wäre es mit der einfachen Umstellung „Castropstadt Rauxel“?
Grundsätzliche Einwände erhebt Frank Baranowski (SPD), der Oberbürgermeister von Gelsenkirchen: Die Namenszusätze könnten „zu einer Kleinteiligkeit in der Wahrnehmung der Region führen“. Und so gibt es auch die Meinung, die allen Revierstädten ein „Ruhrstadt“ voransetzen will: Ruhrstadt Duisburg, Ruhrstadt Herten, Ruhrstadt Hattingen usw.
Andere Bundesländer praktizieren die Zusatznamen schon länger, wie Bayern: „Sie fördern die Identifizierung der Bürger mit ihrer Stadt“, sagt Rainer Knäusl vom Bayrischen Städtetag. Ganz ähnlich sieht das sein Kollege in Hessen: „Es hebt das Selbstwertgefühl der Bevölkerung. Sie soll schon selbstbewusst herumlaufen“, sagt Stephan Gieseler. Den Informationswert der Zusätze schätzt er hingegen äußerst gering ein und parodiert das am Beispiel der vorgeschlagenen „Domstadt Köln“: „Und wir in Hessen haben uns bei den Karnevalsumzügen im Fernsehen immer gefragt, was das bloß für ein großes Gebäude im Hintergrund ist?“