Unna. .
Mehr als ein laues Lüftchen ist es schon, was Fritz Eckenga seinem Publikum im ausverkauften Kühlschiff präsentiert: Sein neues Programm „Alle Zeitfenster auf Kippe“ ist geprägt vom unsteten Charakter des Zeitgeistes, dem er hier und dort Eintritt gewährt, um sich über ihn lustig zu machen – ganz zur Freude der Zuschauer.
Eckenga schwimmt mit seinen Themen im Strom der Zeit. Unterstützt wird er dabei von seiner digitalen Mitarbeiterin „Sandra“, deren notorisch freundliche Stimme ihm gewünschte Dateien ausspuckt, beim Bedienen seines Kaffeeautomaten hilft, 14000 Freunde bei „Gesichtsbuch“ hat und im richtigen Moment „auch einfach mal die Klappe halten kann“. Nächtliche Backups und regelmäßige Updates halten sie auf dem neuesten Stand. Im Kühlschiff lädt sie die Zuschauer zu verlockenden Downloads und Gewinnspielen ein, deren einfache Quizfragen garantieren, dass „keiner wegen prekärer Vorbildung diskriminiert wird“.
Eckenga hat allerdings noch mehr zu bieten, denn seine Vorstellung soll „Servicecharakter“ bekommen, und so bezieht er sein Publikum mit ein und reagiert mit spontanen Witzen auf Kommentare aus den Zuschauerreihen. Er schneidet ungemütliche Themen wie Atomkraft, Krankheitswahn („Soll ich mich in EHEC-kenga umbenennen?“) und Zugverspätungen an, schafft es aber gleichzeitig, sie auf eine derart simple und alltägliche Ebene herunterzubrechen, dass sich jeder damit identifizieren kann. Ganz im Gegensatz zu den vielen selbst ernannten Experten, die im Fernsehen in jeder Talkshow zu jedem Brennpunkt Stellung nehmen und dafür vom Kabarettisten durch den Kakao gezogen werden: Es trifft Beckenbauer, Schwarzer, auch Strauss-Kahn und Ratzinger – Eckenga lehnt sich mit seiner Kritik weit aus dem Zeitfenster, wird aber weder vulgär noch beleidigend.
Humor und Ironie nimmt er aus seiner Sprache; er ist ein Meister des Wortwitzes, belustigt mit seinen selbst geschriebenen Gedichten, die weniger ästhetisch nicht sein könnten: Aus gutem Grund; er will die Leute schließlich zum Lachen bringen. Das gelingt ihm hervorragend, vor allem, als er ein lyrisches Bonbon aus seinem alten Programm wieder auspackt und als eingefleischter Dortmund-Fan traditionell den Assauer mimt.
Dynamisch wie der Zeitgeist springt Eckenga von einem Punkt zum nächsten, vom Herbstgefühl zu Merkel in Flip Flops, von Dressurreportern zu verschwenderischen Kreuzfahrten: Fantasievoll, aber unstrukturiert, eben wie im richtigen Leben, in dem es seiner Meinung nach schon lange keine Struktur mehr gibt.
Bei dieser Schnelllebigkeit kann Eckenga seinem Publikum im Kühlschiff der Lindenbrauerei nur einen Ratschlag mitgeben: „Die Zeitfenster ganz weit auf, das sorgt für langen Atem und Geduld.“ Und im Kühlschiff zudem für ganz viel Applaus.