Osnabrück. .

120 Chemikalien, darunter auch als gefährlich geltende, hat ExxonMobil beim „Fracking“ für die Erdgassuche eingesetzt. Durch die große Verdünnung mit Wasser habe aber keine Gefahr für die Umwelt bestanden. Das Unternehmen kündigte dennoch an, vermutlich ab dem nächsten Jahr einen erheblichen Teil der Chemikalien durch ungefährlichere ersetzen zu wollen.

Diese Ankündigung machten Sprecher des Energieunternehmens bei einer Veranstaltung des sogenannten „Informations- und Dialogprozesses“, den ExxonMobil vor einigen Monaten angestoßen hatte und mit einer Million Euro finanziert. Wissenschaftler sollen dabei untersuchen, ob vom Fracking Gefahren ausgehen. Parallel zu der Exxon-Untersuchung hat das Land NRW ein eigenes Gutachten vergeben. Auch Bundesumweltminister Röttgen will die Technik prüfen lassen.

Bei der Veranstaltung, die in Osnabrück stattfand, gab es erste Einschätzungen von Toxikologen zu der Chemikalienliste, die ExxonMobil in den vergangenen Jahren beim Fracking in Deutschland einsetzte. Von Ameisen- und Schwefelsäure über Diesel, Biozide und Salze bis hin zu Lösungsmitteln wie Formaldehyd reichen die Zusatzstoffe, mit denen im Untergrund das Gestein aufgebrochen wurde, um Erdgas zu fördern. Bis 2012, so Exxon-Techniker Dr. Harald Kassner, hoffe man beim Ersatz von gefährlichen Chemikalien einen großen Schritt weitergekommen zu sein. Auf Diesel, so Kassner, wolle ExxonMobil künftig verzichten. Auch Formaldehyd soll von der Liste gestrichen werden. Trotz des Exxon-Dialogprozesses setzt der Konzern bei „konventionellen“ Erdgaserschließungen in Niedersachsen auch weiterhin die Fracking-Technik ein.

Frage der Perspektive

Die Frage, wie gefährlich oder akzeptabel Chemikalien sind, die beim Erdgas-Fracking eingesetzt werden, ist auch eine Frage der Perspektive.

So verweist der Toxikologe Prof. Ewers darauf, dass das beim Fracking verwendete Biozid Kathon selbst in Kosmetika eingesetzt werde – und mithin harmlos sei.

Stephan Pfeffer, Dezernent der möglicherweise von Fracking-Bohrungen betroffenen Stadt Borken, sagt dagegen: „Ob ich mir Kosmetika mit Bioziden auf die Haut schmiere oder nicht, ist meine persönliche Entscheidung.“

Wenn dieser Stoff aber bei Unfällen ins Trinkwasser gelangt, dann sei das etwas ganz anderes und nicht akzeptabel.

Niemand habe die Wahl, ob er auf Trinkwasser verzichte oder nicht.

Weil ExxonMobil die Arbeit der Wissenschaftler finanziert, nahmen viele der rund 100 Zuhörer aus Behörden, Städten und Bürgergruppen die Einschätzungen mit Skepsis auf. Wie beispielsweise die von Prof. Dr. Ulrich Ewers vom Hygieneinstitut des Ruhrgebiets. Der gab für das verwendete Biozid „Kathon“ Entwarnung. Es wird eingesetzt, um Bakterien im Wasser, das in die Erde gepumpt wird, abzutöten. Selbst in Kosmetika dürfe die Konzentration von Kathon dreimal so hoch sein, wie es in der Fracking-Flüssigkeit verwendet würde, versuchte der Wissenschaftler die Harmlosigkeit des Stoffes zu verdeutlichen.

Nach ähnlichem Muster verliefen auch die anderen Einschätzungen der Wissenschaftler. Sie vermittelten den Eindruck, dass die unkonventionelle Erdgasförderung zwar mit Risiken behaftet, aber bei entsprechender Vorkehr auch beherrschbar sei.

Unvorbereitet wäre
die Feuerwehr hilflos

So ließ der TÜV-Gutachter Dr. Wolfgang Kaiser die Zuhörer zunächst erschreckt zusammenzucken, als er ein „Worst-Case-Szenario“, also eine Annahme für den schlimmsten Fall, präsentierte. Sollte einmal das Sicherheitsventil oben auf dem Bohrplatz versagen und Erdgas unter hohem Druck herausströmen, könnte es ein flammendes Inferno geben. Eine Fackel, bestimmt 50 Meter hoch, die noch in 80 Metern Entfernung alles in Brand setzen würde. Und in 200 Metern noch Menschen Verbrennungen zufügen könnte. Die Feuerwehr wäre, falls unvorbereitet, ziemlich hilflos, denn der Ausbruch wäre mit dem Lärm eines startenden Jumbos verbunden, was die Kommunikation bei den Löscharbeiten erschweren würde.

„Über ,Worst-Case-Szenarien’ werden denkbare Umweltauswirkungen, Unfälle und Schäden skizziert“, sagte Dr. Hans-Joachim Uth, Sachverständiger für Chemische Anlagensicherheit. „Wir müssen uns dann fragen: Ist das noch beherrschbar oder nicht?“ Das ist Thema der Experten bis zum Abschluss der Einschätzungen im März. Solche Szenarien gibt es für Gasexplosionen genau wie für Rohrbrüche im Bohrloch oder auslaufende Fracking-Flüssigkeit bei der Anlieferung durch einen Tankwagen.

Dass die Szenarien so weit von der Wirklichkeit nicht entfernt sind, zeigt ein Blick in die USA. Dort berichteten Medien vor wenigen Tagen von Unfällen auf Erdgasförderplätzen.